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Feuerbande

Feuerbande

Titel: Feuerbande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Otten
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und lebendig zu fühlen? Es war eine seltsame Vorstellung, und das Windmädchen wollte gern mehr darüber wissen.
    „Ich bleibe drei Tage“, sagte es daher. „Dann kehre ich zur Herrin zurück. Und ich möchte, dass es deine Tochter ist, die mir hier alles zeigen wird.“
     
    So kam es, dass die Prinzessin und das Windmädchen viel Zeit miteinander verbrachten, erst sehr zurückhaltend und doch von der Fremdartigkeit der jeweils anderen angezogen, schließlich jedoch immer vertrauter. Das Windmädchen sah viel von der Burg und der Stadt, ohne sich um die Leute zu kümmern, die ihm nachstarrten, wo immer es ging, und es lernte den Tagesablauf der Prinzessin kennen, über den es immer wieder den Kopf schüttelte. Dafür erzählte es seinerseits der Prinzessin von seinem Leben, und diese lauschte ihm fasziniert und schüttelte ihrerseits den Kopf.
    „Ich kann kaum glauben, dass du kein Mann bist“, sagte die Prinzessin einmal, als sie in einer abgeschiedenen Ecke des Gartens standen und einen alten Rosenstock bewunderten. „Du reitest in lederner Jacke und Hose, deine Haut ist gebräunt, dein Haar ist so wild wie dein Benehmen. Ich habe noch nie so eine Frau erlebt.“
    „Ich bin auch noch nie jemandem wie dir begegnet“, stellte das Windmädchen fest. „So zart, behütet und aufgeputzt. Und ich bin so gut wie jeder Mann. Das muss ich niemandem beweisen.“
    Und die Prinzessin lächelte und sagte: „Lass uns Freundinnen sein“.
     
    Von nun an waren sie unzertrennlich, am Tage ebenso wie in der Nacht. Doch ein Diener vernahm Geräusche auf dem Gang, so dass er dem König meldete, dass wohl jemand bei der Prinzessin wäre. Der König sprang aus seinem Bett und eilte im Nachtgewand über die Flure, um den Mann aus dem Gemach seiner Tochter zu zerren, den er darin vermutete. Wie staunte er jedoch, das fremde Windmädchen bei ihr zu finden, und sein Erstaunen schlug um in Zorn.
    „So dankst du mir meine Gastfreundschaft!“, schrie er und hieb mit der Faust auf einen Tisch. „Verschwinde, du Tier, du Ungeheuer, die du meine Tochter verhext und verzaubert hast! Verschwinde und richte deiner Herrin aus, ich spucke auf sie, ebenso wie auf dich!“ Und er spie voller Verachtung auf die bloße Haut des Windmädchens, während die Prinzessin sprachlos vor Entsetzen von einem zum anderen blickte.
    Das Windmädchen richtete sich auf und zeigte dem König seine Verachtung. „Du kannst mir nicht drohen, und du kannst mich nicht kränken. Du wirst die Macht meiner Herrin spüren, und du wirst dein Tun jämmerlich bedauern.“ Dann stieß sie einen schrillen Pfiff aus, und ihr Wolkenpferd erschien wie aus dem Nichts.
    „Leb wohl“, sagte sie zur Prinzessin hinüber, ehe sie auf den Rücken ihres Reittiers sprang. „Wir sehen uns wieder, sei unbesorgt.“ Und damit sprengte sie aus dem Fenster und ritt auf den Winden der Nacht davon, zwischen die Sterne und dunklen Wolken.
    Der König schüttelte die Faust hinter ihr her, während die Prinzessin zu weinen begann aus lauter Zorn und Traurigkeit.
     
    Einige Tage vergingen, und die Prinzessin verbrachte viel Zeit bei dem alten Rosenstock im Garten, den sie mit dem Windmädchen aufgesucht hatte. Sie sprach mit keinem Menschen ein Wort, blieb für sich und wich dem König aus, der sie von nun an beobachten ließ. Sie wollte sich auch nicht mehr kämmen und herrichten lassen, und die Burgleute schüttelten besorgt ihren Kopf und munkelten, sie sei wohl von der Fremden verzaubert worden und man müsse Gesandte in ferne Länder schicken, um ein Gegenmittel zu finden.
    Die Prinzessin kümmerte das alles nicht. Sie nahm eine herabgefallene Rosenblüte in die Hand, hielt sie empor und sagte traurig: „Wind, wenn du es vermagst, bring dies zu der, die mir entrissen wurde, damit sie mich nicht vergisst und nicht ihr Versprechen.“ Dann hielt sie einen Moment inne und lauschte.
    Tatsächlich war ein leichter Wind aufgekommen, doch das Geräusch war ungewöhnlich. Etwas zerrte an der Hand der Prinzessin, die Blüte zerfiel in ihre Blätter, die aufstoben und davonwirbelten. Mit einem Donnern kam etwas heran, ließ den Garten erbeben und die Burg bis auf ihre Grundmauern zittern. Die Prinzessin vermochte sich nicht zu bewegen, als sie in den Sog des Tobens gezogen wurde und darin verschwand, in der mächtigsten, stärksten Windhose, die das Land je gesehen hatte. Und die Burgleute hörten eine Frauenstimme, die zischend, wirbelnd, brausend um ihre Mauern tobte und tief: „Das,

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