Feuerbluete 01 - Feuerbluete
nicht angerührt«, sagte Kerrik hilflos. Zum ersten Mal, seit Rena ihn kannte, wirkte sein kraftvoller Körper linkisch. »Keine Ahnung, wie sie auf so was kommt. Ich lüge dich nicht an, Lil.«
Cchraskar saß zuammengekauert und mit gesträubtem Fell neben ihm und sah aus, als wäre er liebend gerne woanders. Auch Rena war es peinlich, diese Szene mitzuerleben. Aber sie konnte, sie wollte sich nicht zurückziehen. Wenn jemand eine Mitschuld daran hatte, dass es überhaupt so weit hatte kommen können, dann sie. Beide taten ihr entsetzlich Leid - Kerrik und Lilas.
»Ich weiß nicht mehr, ob ich dir glauben kann«, sagte Lilas hart. »Ich weiß nur eins - ich will dich nicht mehr sehen! Deine Sachen habe ich zum Gildenhaus der Erdleute bringen lassen, da kannst du sie dir abholen.«
Kerrik starrte sie an. »Du hast...? Beim Erdgeist, zählt unser Winter zusammen denn gar nichts mehr, dass du so was machst, ohne nur einmal mit mir zu sprechen, ohne mich zu fragen, was ich zu alldem sage?«
»Vielleicht hätten wir öfter miteinander reden sollen«, sagte Lilas traurig. »Schon lange vorher. Zu viele Geheimnisse töten das Vertrauen, Kerrik, und damit die Liebe.«
Sie wandte sich um, wollte gehen. Doch Rena hatte noch eine Frage, die einzige Frage, die ihr wirklich wichtig war. »Wie geht es Tjeri?«, sagte sie leise.
Lilas drehte sich noch einmal um. Sie beachtete Kerrik nicht mehr, sprach nur noch mit Rena. »Gestern hat seine Atmung ausgesetzt, aber zum Glück war mein Meister gerade im Haus - wir konnten ihn retten.«
Eisig fuhr der Schreck Rena in die Knochen. »Wie lange kann er noch durchhalten?«
»Das weiß ich nicht. Er ist sehr schwach. Wir müssen einfach hoffen.« Lilas sah Renas Blick und las die Frage darin. »Mach dir keine Sorgen. Wir kümmern uns um ihn. Ein Helfer meines Meisters ist immer bei ihm.«
»Ich danke dir«, sagte Rena und die Worte kamen aus der Tiefe ihrer Seele.
»Brauchst du nicht«, sagte Lilas wieder kühl. »Ich hätte es sowieso getan - oder jeder andere, der den Eid eines Heilers geschworen hat.«
Schnell ging sie davon und verschwand im Halbdunkel der Gänge. Traurig blickte ihr Rena nach. Sie fühlte, dass sie eine wichtige Verbündete verloren hatten. Viele Gefährten waren nicht mehr übrig.
Und was war mit Alena? Würde sie nach dieser Nacht, nach dem Treffen mit Cano immer noch auf ihrer Seite sein? Rena wusste es nicht. Seit Alena ihr von ihrem Schwert und den Träumen erzählt hatte, ahnte sie, dass das Mädchen bei diesem neuen Kampf um Daresh eine Schlüsselrolle spielen würde. So oder so. Ob für uns oder gegen uns, dachte Rena und spürte, wie eine dunkle Angst, eine Vorahnung in ihr hochstieg.
»Lass uns gehen«, sagte Kerrik dumpf. »Hier haben wir nichts mehr verloren - Hilfe gibt’s hier jedenfalls keine.«
Rena nickte und folgte ihm die Stufen hinunter.
Versuchung
Der dritte Mond stand schon am Himmel und breitete sein rötliches Licht über die Stadt, als Alena das Herztor erreichte.
Eilig schritt sie bis nahe an das Tor heran; ihr Atem ging schnell. Der Platz um sie herum war verlassen. Alena legte den Kopf in den Nacken. Schräg über ihr wölbte sich der weiße Bogen wie der Knochen eines gigantischen Fabelwesens. Auf keinen Fall geh ich jetzt da durch, dachte Alena. Wenn das mit der Legende stimmte, würde sie sich dann verlieben - und mit der Liebe hatte sie genug Scherereien. Ob das ein Witz von Cano war, sie gerade hierher zu bestellen?
Nun war es völlig still, nicht mal eine Grollmotte schwirrte hier umher. Ein Fisch sprang in der Lagune, das Platschen klang unnatürlich laut. Ein kalter Wind pfiff über den Platz und Alena war froh über ihren warmen Umhang. Langsam wandte sie sich um, suchte den Platz mit den Augen ab. Sie hatte eine Gänsehaut. Ob sich Cano hinter einem der Türme verbarg und sie beobachtete? Wahrscheinlich schon. Es war ein unangenehmes Gefühl. Es wäre gut gewesen, jetzt Cchraskar an ihrer Seite zu haben...
»Du bist spät dran.«
Alena fuhr herum. Eine Gestalt war hinter dem Herztor hervorgetreten. Im Mondlicht erkannte sie den Mann, den sie als den Heiler vom Berge erlebt hatte. Ja. Er war es. Cano. Scharf zeichnete sich das ebenmäßige Profil seines Gesichts gegen das Herztor ab.
Alena zwang sich ruhig zu bleiben. »Es ging nicht früher«, sagte sie. »Du wirst sicher wissen wieso.«
Sie hatte ihn ganz instinktiv geduzt. Komisch, wie vertraut er ihr war, obwohl sie ihn erst ein einziges Mal gesehen
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