Feuerbluete 01 - Feuerbluete
Wand berührten. »Hier.«
Auf den ersten Blick sah man nichts. Auf den zweiten erkannte man eine hauchdünne Linie, die die Wand von oben nach unten durchschnitt. Eine verborgene Tür! Ein paar Atemzüge später hatten sie es geschafft, sie zu öffnen. Dahinter konnte Rena in der Dunkelheit einen Tunnel erkennen. Sie grinste triumphierend. Das war wirklich Pech für Cano - ein Mensch der Feuer-Gilde hätte das hier nicht finden können.
»Vielleicht ein zweiter Ausgang für Notfälle«, meinte Kerrik. »Wahrscheinlich ging alles zu schnell, er hat ihn nicht mehr erreicht. Oder vielleicht hat er uns erwartet und dachte, wir kommen den Gang hinunter ...«
Schnell wurde ihnen klar, dass sie mehr als einen Notausgang gefunden hatten. Sie hatten das eigentliche Erdhaus entdeckt. Die Höhle, in der sie Keldo gefunden hatten, war nur eine Art Vorraum, sollte wohl Besucher irreführen. Hinter der geheimen Tür erstreckten sich ein halbes Dutzend große Räume mit kuppelförmigen Decken, prunkvoll ausgestattet, und eine Reihe kleinerer Kammern. Hier hatte Keldo gelebt. Und nichts fehlte. Diesen Bereich hatten die Wachen nicht ausgeräumt!
Staunend wanderten sie durch die Zimmer, in denen mit Goldfäden bestickte Kissen lagen und Schlafmatten mit bunten Decken. Da waren kunstvoll geschmiedete Kerzenhalter und Schalen, Vorratsräume, in denen sich die Köstlichkeiten bis zur Decke stapelten. Es gab sogar fließendes Wasser - was Rena nicht besonders wunderte, schließlich hatte Keldo einmal der Wasser-Gilde angehört. Und überall sahen sie Schriftrollen, Keldo musste ein sehr gelehrter Mann gewesen sein. Der größte Raum war voll geräumt mit wertvollen Waren, Schmuck, ganzen Krügen voller Wasserdiamanten, Ballen edler Stoffe, Gewürzen und seltenen Kräutern; in einer Ecke häuften sich Oriak- und Schneehörnchen-Felle.
»Die leben ja gar nicht so schlecht, die Gildenlosen«, staunte Rena.
»Ach was«, sagte Kerrik und betrachtete einen aus einem silbrigen Metall geschmiedeten Becher, auf dem eine Szene mit fliegenden Storchenmenschen eingraviert war. »So was wie hier findest du im Schwarzen Bezirk kein zweites Mal. Keldo war kein gewöhnlicher Gildenloser, so viel ist klar.«
Der Tunnel führte noch viel weiter, er schien sich endlos in die Dunkelheit zu erstrecken. Doch sie waren zu müde um ihn bis zum Ende zu erforschen.
»Später«, sagte Rena, die merkte, wie schlecht es Kerrik ging. Er bewegte sich wie ein Mann, der sich aufgegeben hat, dem alles egal ist. Unter seinen Augen lagen Schatten. Sie konnte sich denken, wie er sich jetzt fühlte. Jetzt, nachdem die erste Aufregung verflogen war, hatten ihn sicher der Schmerz der Trennung und die Müdigkeit der durchwachten Nacht eingeholt.
Ob mit Alena alles in Ordnung war? Rena wusste, dass sie nicht schlafen würde, bevor ihre junge Freundin zurück war. Egal wie lange es dauerte.
Cano war ein tödlicher Gegner und das durften sie keinen Atemzug lang vergessen.
Als Alena die Insel der silbernen Türme verließ, fühlte sie sich so erschöpft wie nach einem langen Schwertkampf, obwohl sie ihre Waffen nicht mal berührt hatten. Sie war froh, als sie Cchraskar hinter einem Haus hervorlugen sah, seine Augen glänzten im ersten Licht der Dämmerung. »Errr hat dich also nicht gefressen oder so was«, stellte er fest.
»Menschen machen so was nur, wenn sie richtig, richtig Hunger haben«, sagte Alena und musste lächeln. »Mit mir ist alles in Ordnung. Wo sind die anderen? Hat’s geklappt mit dem Stadtkommandanten?«
Cchraskar zuckte mit den Ohren. »Bei Keldo sind sie. Komm!«
»Bei Keldo?!«
Doch ihr Freund rannte schon voran und sie musste sich beeilen um mit ihm mitzuhalten. Ihr war seine Eile ganz recht. Sie brannte darauf, den anderen von ihrer Begegnung mit Cano zu erzählen.
Kurze Zeit später stand sie in den prächtigen unterirdischen Kammern. Staunend blickte sich Alena um. »Das ist ja toll! Wer hätte das gedacht...«
Ein warmes Gefühl durchrieselte sie, als sie Kerriks Schritte hörte. Am liebsten hätte sie ihn umarmt, ihm gesagt, wie schön es sei, ihn wiederzusehen. Doch Kerriks Gesicht wurde kalt und abweisend, als er sie sah, und er blieb in einem Türrahmen eineinhalb Menschenlängen von ihr entfernt stehen. Was war bloß mit ihm los? Alenas Wiedersehensfreude sickerte weg.
Auch Rena war seltsam zurückhaltend. »Alles klar? Wie ist es gelaufen?«
»Ach, ganz gut«, sagte Alena. Plötzlich hatte sie keine Lust mehr zu erzählen, was
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