Feuerbluete 01 - Feuerbluete
Fähigkeiten ihrer eigentlich so friedlichen, harmlosen Gilde gefährlicher waren als die aller anderen ... ach du Schreck, hatte sie etwa die Wahrheit gesagt?
Kerrik schloss die Augen, begann langsam und tief zu atmen. Angespannt beobachtete ihn Alena. Dann spürte sie es schon. Erst war es wie ein Kribbeln, das ihre Beine hochkroch. Dann begann der Boden unter ihr zu schwanken, sich zu wellen. Mit einem Knirschen tat sich ein Riss in einem der Gartenhäuser auf, Balken und Steine polterten auf die Straße. Jemand schrie. Eine der Pyramiden am Rand des Gelben Bezirks stürzte mit einem lauten Rumpeln in sich zusammen.
Auf einmal ging alles drunter und drüber. Menschen rannten durcheinander. Staub wirbelte auf, nahm ihr die Sicht. Hustend stolperte Alena umher. Sie hatte die anderen aus den Augen verloren. Verzweifelt versuchte sie sich daran zu erinnern, in welcher Richtung der Schwarze Bezirk lag. Rennen war leicht gesagt - der Boden bockte unter ihr wie ein wildes Dhatla!
Als hätten ihre Gedanken es herbeigerufen, ragten plötzlich Säulenbeine vor ihr auf, der keilförmige Kopf eines Dhatlas streckte sich ihr entgegen. Alena wollte sich aus dem Weg werfen, doch dann hörte sie eine Stimme, die ihr bekannt vorkam, rufen: »Los, schnell! Steig auf!«
Ungläubig blickte sie auf, sah vertraute Gestalten auf dem Rücken des Tieres hocken. Alena zog und stemmte sich an den Hornplatten des Dhatlas hoch, schaffte es irgendwie, auf seinen Rücken zu krabbeln, und zerschrammte sich dabei die Beine. Eine Hand packte sie, zog sie hoch. Dann setzte sich das Dhatla wieder in Bewegung, schnaubend stürmte es durch den Staub. Schon ein paar Atemzüge später waren sie auf einer der Hauptstraßen, mitten im Gewühl aufgeregt umherlaufender Stadtbewohner und nervös zischelnder Dhatlas. Ihr Reittier nahm Kurs auf die Außenbezirke, drängte sich beharrlich durch. Alena hielt sich an Kerrik fest, der vor ihr saß, und versuchte herauszufinden, wer das Dhatla lenkte. Doch erst als sich der Mann umwandte, erkannte sie Jorak, Kerriks gildenlosen Kompagnon. »Ich glaube, jetzt folgt uns niemand mehr - ihr könnt abspringen!«, sagte er.
Alena ließ sich mit den anderen vom Rücken des Dhatlas gleiten. Sie landete hart auf dem festgetretenen Lehm der Straße, ihre Fußknöchel schmerzten.
»Wir treffen uns im Versteck«, sagte Rena. »Jeder geht auf einem anderen Weg!«
Und schon waren sie und Tjeri weg. Alena ließ sich mit Cchraskar in der aufgeregten Menge mitschwemmen, bog dann in eine der Gassen ab und machte sich auf zu einem der getarnten Eingänge. Kurz darauf saß sie am großen Tisch in Keldos Höhle. Sie war die Erste und es war fast unheimlich still in der unterirdischen Wohnung. Beschädigt war nichts, es lag nur ein bisschen mehr Staub auf den Möbeln als sonst. Sah aus, als hätte das Erdbeben nur in einem kleinen Bereich gewütet.
»Es ist alles so schnell gegangen«, sagte Alena erschöpft zu Cchraskar. »Ich glaube, ich habe das alles noch nicht ganz kapiert.«
»Erst war da die Feuerblüte und dann ein Erdbeben und dann noch ein Erdbeben und dann kam Jorak mit einem Dhatla«, sagte Cchraskar.
»Ja, ich glaube, so in etwa war es«, sagte Alena und stand auf um sich einen Schluck Darnellensaft einzugießen. Ihre Knie fühlten sich noch immer weich an. Das war knapp gewesen - beinahe hätte Cano seine Rache gehabt. Bei dem Gedanken daran, dass trotz ihrer gelungenen Flucht ganze Bezirke verwüstet und vielleicht Unbeteiligte getötet worden waren, wurde ihr schlecht.
Schnell holte sie einen Wühler aus Keldos Lager, schrieb eine kurze Nachricht an Ralissa und legte die letzte Feuerblüte dazu. »Es ist wichtig, hörst du!«, sagte sie und die blanken Knopfaugen des Wühlers glänzten aufgeregt. Eilig machte er sich auf den Weg zu ihrem Vater. Alena fühlte sich, als wäre ein Albdruck von ihr genommen worden.
Kurz darauf traf Kerrik ein. Er atmete schwer und hielt sich den verletzten Arm. Dann kamen Rena und ihr Freund. Mit einem tiefen Seufzer ließ sich Tjeri auf eine Bank fallen und lehnte sich gegen die Wand.
Alena holte Keldos Verbandszeug aus einem der Vorratsschränke und machte sich daran, Kerrik zu verbinden. Was für ein Glück, dass sie für die Meisterprüfung so viel Heilkunst hatte pauken müssen! Aber Wunden wie diese hier hatte sie noch nie gesehen. Sie sahen nicht aus wie von Raubtierkrallen verursacht, sondern eher wie Verbrennungen.
Kerrik achtete kaum darauf, was sie mit ihm machte. Er
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