Feuerbluete 01 - Feuerbluete
Wirklich müde war sie noch nicht. Ihr Körper war immer noch auf Gefahr eingestellt und brauchte wenig Schlaf. Außerdem ging ihr zu viel im Kopf herum. Wie es gewesen war, gegen den Eisdämon zu kämpfen. Wie Cano reagiert hatte. Wie sich der Edelstein in ihrem Schwert angefühlt hatte. Was sie im Palast der Trauer erlebt hatten. Kaum zu glauben, dass das alles heute passiert war!
Es klopfte an der Tür ihres Zimmer. Alena stöhnte innerlich. Wahrscheinlich Jorak. Vielleicht wollte er sich entschuldigen oder so was. Sie überlegte, ob sie sich schlafend stellen sollte, und stand dann doch auf um zu öffnen. Als sie sah, wer es war, war sie froh, dass sie es getan hatte.
Draußen stand Kerrik. Seine breiten Schultern füllten den Türrahmen fast ganz aus. Verlegen strich er sich durch die blonden Haare. »Ich wollte mich nur kurz ...«
»Komm doch rein.« Alena trat zurück um ihn hereinzulassen. Ihr Herz pochte heftig. Sah aus, als hätte er sich inzwischen abgeregt.
»Ich wollte mich eigentlich nur bedanken«, sagte Kerrik. »Als dieser verdammte Panther auf mich zukam, dachte ich wirklich, es ist aus mit mir. Ich bin ja in Lixantha schon ein paar üblen Viechern begegnet... aber die hatten nicht so was Unheimliches.«
»Das waren ja auch echte Tiere und keine Dämonen«, sagte Alena. Natürlich hatte sie ihm geholfen, was hätte sie sonst tun sollen? Aber es war trotzdem nett, dass er es nicht vergessen hatte.
»Wie fühlt sich dein Arm an?«, fragte sie um die Stille zu durchbrechen, die sich zwischen geschoben hatte. Sie sah, dass er den Verband notdürftig festgeknotet hatte.
»Brennt schon nicht mehr ganz so schlimm. Gehört es zu eurer Ausbildung, so was zu behandeln?«
»Ja, klar. Schließlich ist es für uns normal, öfter mal verletzt zu werden.« Vorsichtig nahm Alena seinen Arm, befestigte den Verband richtig. Es fühlte sich ganz seltsam an, ihn zu berühren. Plötzlich spürte sie wieder die wunderbare Spannung zwischen ihnen, die sie zuletzt im Palast der Trauer bemerkt hatte. Sie merkte, dass er sie anblickte.
»Ich glaube, du bist ein ganz besonderer Mensch«, sagte Kerrik leise.
Zuerst war es nur eine Umarmung, die Freundschaft bedeuten sollte und »Gute Nacht« und »Vielen Dank«, doch dann wurde es etwas anderes. Ihre Lippen trafen sich und diesmal schreckten sie vor dem Kuss nicht zurück. Alena schloss die Augen, öffnete den Mund ein wenig und genoss es, wie seine Zunge mit ihrer spielte. Es fühlte sich ungewohnt an, aber sehr schön. Kerriks Hand lag auf ihrer Schulter, zärtlich ließ er seine Fingerspitzen ihren Arm hinunterwandern. Alenas ganzer Körper begann zu prickeln.
Ein Geräusch, leise Schritte. Erschrocken fuhren sie auseinander. Alena wandte sich um, sah nur einen leeren Gang. Wer war das gewesen? Jorak auf der Suche nach einem freien Zimmer? Rena auf dem Weg zum Waschraum? Cchraskar, der zu den Vorräten wollte? Warum hatten sie auch den Vorhang offen gelassen!
»Ich ... gehe jetzt besser«, sagte Kerrik, und Alena nickte stumm, traute sich nicht, einfach »Bleib doch noch« zu sagen.
Das Licht ihrer Kerze ließ riesige Schatten auf den Wänden tanzen. Hastig zog sich Alena bis auf ihr Unterkleid aus und schlüpfte unter die schwere, reich bestickte Decke ihres Betts, die ein klein bisschen muffig roch. Sie blies die Flamme des Kerzenleuchters aus und schloss die Augen. Lange lag sie so da, aber der Schlaf wollte nicht kommen. Kerrik, echote es in ihrem Kopf. Kerrik. Sie sehnte sich mit allen Sinnen nach ihm. Immer wieder musste sie daran denken, wie er sie angesehen hatte. Was er gesagt hatte. Und an den Kuss musste sie denken. Vor allem an den Kuss.
Alenas Gedanken schweiften zurück zu dem Jungen, mit dem sie sich in Gilmor getroffen hatte. Dem Erzsucher-Lehrling. Mit ihm zu schlafen war nicht besonders aufregend gewesen, hastig und unsicher. Aber sie ahnte, dass es auch anders sein konnte. Sie musste daran denken, dass Kerrik jetzt in seinem Zimmer lag, nur ein paar Menschenlängen von ihr entfernt. Bestimmt schlief er noch nicht. Ob er jetzt gerade an sie dachte? Ein gewagter Gedanke formte sich in ihrem Kopf. Was wäre, wenn sie zu ihm schlich? Würde er sie wegschicken? Weil er noch an Lilas hing, weil sie ihm zu jung war oder er das Gefühl hatte, es wäre nicht richtig, wenn sie miteinander schliefen? Das wäre furchtbar.
Alena dachte an die Art, wie seine Hand über ihren Arm gewandert war. Und daran, dass sie in Keldos Vorratskammer eine ganz
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