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Feuereifer

Feuereifer

Titel: Feuereifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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Fußabdrücke in der Asche.« Ich hielt die Smith & Wesson in der Hand, entsichert, glitt unter der Stoffbahn am entfernten Ende des Tischs hervor und versuchte, die Entfernung zu dem Mauerloch in der Vorderfront einzuschätzen.
    »Hier wimmelt's vor Junkies. Die kommen hier rein, um sich einen Schuss zu setzen.« Grobian klang unbeteiligt, aber dann kippte er den Schneidetisch so schnell um, dass die Kante mich beinahe getroffen hätte.
    »Da!«, schrie Jacqui, als ich mich aufrichtete und Richtung Eingang rannte.
    Sie strahlte mich mit ihrer Lampe an. »Oh! Das ist die polnische Detektivin, die uns einen Vortrag über Barmherzigkeit halten wollte.«
    Ich drehte mich nicht um, sondern rannte weiter, versuchte, Tischen und herumliegendem Schutt auszuweichen.
    »Los, Grobian, Sie müssen sie schnappen«, gellte William.
    Ich hörte ihn hinter mir, drehte mich aber nicht um. Nur noch zwei Schritte zur Tür, doch in dem Moment klickte es, er entsicherte seine Waffe. Ich warf mich in dem Augenblick auf den Boden, als er schoss, versuchte, meine eigene Pistole nicht loszulassen, aber durch den Aufprall verlor ich sie, und er war über mir, bevor ich mich aufrappeln konnte.
    Ich packte Grobians linkes Bein und riss es hoch. Er geriet ins Stolpern und musste sich drehen, um nicht zu fallen. Ich federte hoch und wich zurück. Mein Kopf fühlte sich nass an, Blut tropfte mir über den Hals in die Bluse. Mir wurde schwindlig, aber ich musste mich auf Grobian konzentrieren. Jacqui und William leuchteten mich an, und Grobian war nur ein Schatten im Dunkeln, zwei Schatten, zwei Fäuste, die auf mich zielten. Unter der ersten Faust duckte ich mich weg, aber die zweite erwischte mich.

45
    Wie der letzte Dreck
    Mein Vater mähte das Gras. Und er überfuhr mich immer wieder mit dem Rasenmäher. Meine Augen waren zugebunden, deshalb konnte ich ihn nicht sehen, aber ich hörte, wie das Dröhnen näher kam. Die Räder stießen mich an, dann überrollten sie mich. Es war doch so kalt, weshalb mähte er den Rasen, wenn es so kalt war draußen, und weshalb sah er mich nicht? Der Garten roch schrecklich, nach Pisse, Kotze, Blut. Ich schrie, er solle aufhören.
    »Pepaiola, cara mia«, das waren die einzigen italienischen Worte, die er konnte, und so nannte er mich und meine Mutter, seine zwei Pfefferstreuer. »Warum liegst du mir im Weg? Steh doch auf, damit ich hier fahren kann.«
    Ich versuchte aufzustehen, aber das lange Gras hielt mich umschlungen, fesselte mich, und da überfuhr er mich schon wieder. Er liebte mich doch abgöttisch, weshalb quälte er mich so?
    »Papa, hör auf!«, schrie ich wieder. Er hielt kurz inne, und ich versuchte, mich aufzusetzen. Jemand hatte mir die Hände hinter den Rücken gefesselt. Ich rieb mein Gesicht an meiner Schulter, versuchte, die Bandagen abzustreifen. Nichts bewegte sich, und ich bemühte mich weiter, bis ich merkte, dass ich meine Augen rieb. Sie waren nicht verbunden, sondern ich befand mich an einem Ort, der so dunkel war, dass ich nicht mal den schimmernden Stoff meines Parkas sehen konnte. Ich hörte ein Donnern, dann versetzte mir etwas einen schrecklichen Stoß, und der Rasenmäher überrollte mich erneut, so brutal, dass ich nicht mehr schreien konnte. Alles in mir zog sich zusammen, um dem Schmerz zu entkommen. Dann hielt er inne, und diesmal zwang ich mich zum Denken.
    Ich war in einem Lastwagen, auf der Ladefläche, und etwas auf Rädern rollte mit der Bewegung des Lasters hin und her. Ich dachte an Marcena, die ein Viertel ihrer Haut eingebüßt hatte, und versuchte, mich zu bewegen, aber das Rütteln des Wagens und die Attacken von diesem Handkarren oder Förderband oder was immer es war, sorgten dafür, dass ich mich nicht rühren konnte.
    Meine Hände waren auf dem Rücken gefesselt und meine Beine verschnürt. Und ich stank, so wie Freddy Pacheco gestunken hatte, als ich ihm zusetzte. Seither schienen hundert Jahre vergangen zu sein. Die Kotze, das Blut, die Pisse stammten von mir. Mein Kopf tat furchtbar weh, und ich hatte getrocknetes Blut in der Nase. Ich brauchte dringend Wasser. Ich verrenkte mir die Zunge und leckte das Blut ab. AB negativ, ein guter Jahrgang, schwer zu finden, vergeude nichts davon.
    Ich wollte nicht hier sein, sondern in dieser anderen Welt, wo mein Vater bei mir war, auch wenn er mir wehtat. Ich wünschte, meine Mutter wäre nebenan und würde mir eine heiße Schokolade machen.
    Eine Detektivin, die sich dem Selbstmitleid hingibt, kann ebenso gut ihre

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