Feuereifer
abgeladen worden war. Erst kürzlich hatte ich gelesen, dass die Müllhalden von Chicago demnächst am Anschlag waren und unsere Abfälle an andere Orte im Bundesstaat transportiert werden sollten. Hätte man all die Säcke und Dosen, die ich heute am Straßenrand gesichtet hatte, auf die Mülldeponien gebracht, wären sie vermutlich jetzt schon voll. Auf diese Art und Weise schonten die Umweltsünder womöglich sogar die Geldbörse des Steuerzahlers.
Nach einer Stunde Suche im Dunkeln konnte ich einigermaßen sicher sein, dass der Füller nicht hier draußen war. Ich kletterte über den umgekippten Gabelstapler auf die Laderampe hoch. Dort hockte ich mich hin, starrte in das Gestrüpp hinunter und versuchte, mich in Marcena hineinzuversetzen.
Da ich selbst jetzt keine Geräusche machte, kamen mir die Geräusche der Nacht plötzlich laut vor. Ich horchte. Wurde das Rascheln in den Büschen, das ich durch das Dröhnen der Autos und Rattern der Laster von oben nur undeutlich hörte, von Ratten und Waschbären oder von Menschen verursacht?
Marcena wollte eine Aufnahme von Grobian und William auf Band oder einem Chip. Sie hatte gemerkt, dass sie an einer viel größeren Story dran war, als sie ursprünglich glaubte, und wusste um die Macht der Bysens: Wenn sie diese Story veröffentlichte, konnten die Bysens die Zeitung und auch sie verklagen. Marcena brauchte direkte Beweise, wie zum Beispiel Stimmen, die Pläne darlegten. Vielleicht hatte sie den Recorder in ihre Hosentasche gesteckt, vielleicht hatte sie ihn aber auch irgendwo platziert, wo sie glaubte, die Privatgespräche der beiden Männer aufnehmen zu können. Ich rappelte mich auf. Ich fror jetzt, trotz meines Parkas, und hatte gar keine Lust, alleine dieses kalte, dunkle Gebäude zu betreten.
Billy und Josie haben eine ganze Nacht hier zugebracht, sagte ich mir vorwurfsvoll. Benimm dich nicht wie ein Hasenfuß, du bist Detektivin. Ich schaltete die Taschenlampe wieder ein und betrat den Laderaum. In den Regalen an den hohen Wänden lagen zusammengefaltete Kartons, in die man die Flaggen verpackt hatte. Einige in Plastikfolie gewickelte Stoffballen warteten auf ihren Abtransport zum Schneiden. Inzwischen waren sie von Asche und Staub bedeckt, und Nagetiere hatten sich an ihnen gütlich getan, entzückt darüber, so schönes, weiches Material für ihre Bauten vorzufinden. Ich hörte sie davonhuschen, als der Schein der Lampe sie aufstörte. Hier hatte ich mir rasch einen Überblick verschafft; am Boden lag nichts. Ich schaute noch unter den Regalen nach, sichtete aber nur Rattenkot. Schaudernd erhob ich mich und ging in die Arbeitshalle, in der William angeblich eine Ladung Bettwäsche gefunden hatte.
Hier waren die Auswirkungen des Feuers nicht zu übersehen. Die Eingangstür war von den Feuerwehrleuten mit ihren Äxten aufgebrochen worden. Ascheschichten bedeckten Nähmaschinen und Schneidetische - am dicksten waren die Schichten an der Südwestseite, wo das Feuer ausgebrochen war. Überall lagen Glasscherben von den zersplitterten Fenstern, auch im vorderen Teil des Raums. Wie kamen sie bis hierhin? Stücke von Fensterrahmen, Stuhlbeine, halb fertige Sternenbanner - alles lag verstreut herum, als habe ein Riese, der mit einem Puppenhaus spielte, in einem Tobsuchtsanfall alles verwüstet.
Marcena hätte auf jeden Fall versucht, so viel Material wie möglich für ihre Story zu bekommen; sie hätte versucht, Grobians und Williams Gespräch aufzuzeichnen, während Bron den Gabelstapler belud. Vielleicht hatte sie den Füller irgendwo in ihre Nähe gelegt.
Und da lag er wahrhaftig, bei einer Nähmaschine, dicht neben einer Schere, deutlich sichtbar - ich konnte es kaum glauben.
Andererseits sah man diesem raffinierten, kleinen Gegenstand seine Fähigkeiten nicht an.
Ich nahm den Stift und inspizierte ihn im Licht der Taschenlampe. Er war kaum größer als diese dicken Hightech-Füller, die man in teuren Schreibwarenläden zu kaufen kriegt. Er hatte einen USB-Stecker, mit dem man ihn an einen Computer anschließen und den Inhalt runterladen konnte, kleine Knöpfe mit den üblichen Quadraten und Dreiecken für Play, Forward, Reverse und ein Mini-Display. Als ich auf »on« drückte, fragte mich das Display, ob ich abspielen oder aufzeichnen wolle. Ich entschied mich für abspielen.
»Sie und ich, wir sind die zwei Besten in der Mannschaft, aber die Trainerin bevorzugt immer April.«
Das war die Stimme von Celine, meiner Gangbraut. Die Aufnahme lief vom
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