Feuereifer
Autobahn irgendeinem Irren nicht schnell genug ausweichen können wegen Ihrer Schulter?« Ich legte ihm den unverletzten Arm um die Schulter. »Ich fahre nicht auf die Autobahn. Nur zur University of Chicago, okay? Ich fahre nicht schneller als sechzig und bleibe die ganze Zeit auf der rechten Spur.«
Dass ich ihn in meine Pläne einweihte, besänftigte ihn nur wenig, aber er wusste, dass ich ohnehin losziehen würde, ob er nun schimpfte oder nicht. Weshalb er nur brummte, er werde dann Mitch ausführen, und seine Wohnungstür zuknallte. Ich war schon fast an der Straße, als mir einfiel, dass mein Wagen noch in South Chicago stand. Worauf ich erwog, Peppy bei Mr. Contreras abzugeben, aber ich konnte den alten Herrn heute kein zweites Mal ertragen. In den öffentlichen Verkehrsmitteln in Chicago sind Hunde verboten, und so wanderte ich zur Belmont und hielt Ausschau nach Taxen. Das vierte, das ich anhielt, war bereit, mit einem Hund in die South Side zu fahren. Auf der langen Fahrt erfuhr ich, dass der Fahrer aus dem Senegal kam und selbst einen Rottweiler hatte, weshalb ihn Peppys gelbe Haare auf den Sitzen nicht störten. Er erkundigte sich nach meiner Armschlinge und schnalzte mitfühlend mit der Zunge, als ich ihm erklärte, was passiert war. Im Gegenzug erkundigte ich mich, was ihn nach Chicago geführt hatte, und bekam eine ausführliche Geschichte über seine Familie und seine Hoffnungen auf eine gute Zukunft in Amerika zu hören.
Ich fand den Mustang an der Yates wieder, wo ich ihn am Dienstagabend geparkt hatte, und zur Abwechslung war mir Glück beschieden: Alle vier Reifen waren noch da und die Fenster unversehrt. Der Taxifahrer wartete rücksichtsvoll, bis ich Peppy hineinbefördert und den Motor angelassen hatte.
Ich fuhr zur South Chicago Avenue, um einen Blick auf die Überreste von Fly the Flag zu werfen. Die Vorderseite stand noch, aber an der Rückwand gähnte ein großes Loch. Brocken von Mauersteinen lagen herum, als habe ein Riese die Hand durchs Fenster gestreckt und Teile der Wand herausgerissen. Verkohlte Stoffbahnen bedeckten zum Teil den Boden, und auf denen gelang es mir dann auch auszurutschen. Mit dem Arm in der Schlinge verlor ich das Gleichgewicht, stolperte über eine Stahlstange und landete mit Schwung auf der unverletzten Schulter. Tränen schössen mir in die Augen vor Schmerz. Wenn ich mir jetzt den rechten Arm lädiert hatte, konnte ich nicht mehr fahren, und Mr. Contreras würde den Rest des Tages, vermutlich den Rest des Monats triumphierend »Ich hab's ja gesagt« intonieren.
Ich lag zwischen Schutt und Asche, blickte in den grauen Himmel über mir und versuchte vorsichtig, die rechte Schulter zu bewegen. Nur eine Prellung, die ich mit etwas Konzentration ignorieren konnte. Ich rappelte mich hoch, setzte mich auf ein Mauerstück und stocherte gedankenverloren in dem Schutt. Stücke eines Fensterrahmens, eine Rolle goldfarbene Zierborte, wundersamerweise unbeschädigt, verbogene Metallstücke, die einmal Spulen gewesen sein mochten, eine Aluminiumseifenschale in Form eines Froschs.
Ein merkwürdiger Gegenstand an dieser Stelle, es sei denn, die Toiletten waren auch in die Luft geflogen. Aber ich hatte die Klos gesehen - heruntergekommene kahle Kabuffs, bar jeden Dekors. Ich steckte die Schale in die Manteltasche und erhob mich. Es hatte was für sich, dass ich diese Exkursion in Jeans und Sneakers anstatt im Abendkleid angetreten hatte - die Jeans konnte ich in die Waschmaschine stopfen. Ich wanderte zur Rückfront des Gebäudes und spähte durch das Loch in der Mauer. Innen schien so viel zerstört zu sein, dass ich von weiteren Erkundungen absah. Der Brand war auf der Seite zur Autobahn ausgebrochen, von der Straße aus nicht sichtbar. Uber die Laderampe hätte ich einsteigen können, aber dazu hätte ich mich hochziehen müssen, und meine Schulter weigerte sich hartnäckig, als ich einen Versuch unternahm. Ärgerlich über meine diversen hinderlichen Blessuren, kehrte ich zum Wagen zurück und fuhr Richtung Norden, so langsam, dass ich mit einer Hand lenken konnte. In Hyde Park parkte ich vor dem Campus der University of Chicago und schaute Peppy eine Weile zu, wie sie Eichhörnchen umherscheuchte. Obwohl es kalt war, saßen etliche Studenten mit Kaffeebechern und Büchern draußen. Peppy machte bei allen die Runde und sah sie mit diesem tieftraurigen Blick an, der besagte: Wenn Sie diesen Hund füttern, können Sie in Ruhe weiterlesen. Mit dieser Methode gelang es ihr,
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