Feuereifer
sie hatte im Moment jeglichen Bezug zur Realität verloren.
»Du hast gesagt, die Versicherung würde nur zehntausend Dollar übernehmen. Meinst du damit deine Versicherung?«
Sie schüttelte den Kopf und sagte bitter: »Ich habe keine, weil ich nur vierunddreißig Stunden die Woche arbeite. By-Smart sagt, man muss vierzig Stunden arbeiten, sonst gilt es nicht als volle Stelle. Bron zahlt die Versicherung für sich und April, für uns alle wird es zu teuer, und als das Krankenhaus gestern bei der Firma anrief, stellte sich raus, dass sie nicht mehr übernehmen, und dabei zahlen wir, Herr im Himmel, zweitausendsechshundert Dollar im Jahr. Hätte ich das gewusst, hätte ich das ganze Geld für April in einem Sparvertrag angelegt.«
»Und was hat April nun wirklich?«, fragte ich.
Sie rang die Hände. »Ich weiß es nicht, die Arzte reden so komisch daher, dass man nicht weiß, ob sie nun das Richtige tun für das Kind oder nicht. Hast du sie so getriezt, weil sie meine Tochter ist?«
Ich wünschte mir inständig, dass ich auf Mr. Contreras gehört hätte und zu Hause geblieben wäre. Mir stand nur noch der Sinn danach, mich in eine Höhle zu verkriechen und bis zum Frühling zu schlafen.
»Können wir mit einem Arzt sprechen? Wenn ich die Diagnose kenne, kann ich vielleicht für die richtige Behandlung sorgen.« Ich dachte an meine Freundin Lotty Herschel, die in der North Side am Beth Israel Hospital als Chirurgin arbeitet. Sie behandelt auch mittellose Patienten und könnte den Czernins vielleicht helfen, das Problem mit der Versicherung zu lösen.
»Im letzten Sommer, in einem Basketball-Camp, ist sie mal in Ohnmacht gefallen, aber da hab ich mir nichts dabei gedacht. Mädchen in diesem Alter werden öfter ohnmächtig, das war bei mir auch so. Ich wollte, dass ihr alle Wege offen stehen, damit du dich über mein Kind nicht so erheben kannst wie über mich.«
Ich blinzelte, erschüttert ob des Ansturms von Worten und wirren Gedanken.
Mechanisch wollte ich widersprechen und klarstellen, dass ich keinerlei Interesse daran hatte, mich über sie zu erheben, aber dann fiel mir unsere gemeinsame Geschichte wieder ein, und ich lief rot an. Wenn ich einen Abend in meinem Leben anders gestalten könnte, dann wäre es der Abend vor dem Abschlussball damals - abgesehen vielleicht von dem Abend, an dem meine Mutter starb und ich bei Lazinski's ein Pint Whiskey klaute... genug davon. Wenn ich jetzt alle üblen Erinnerungen zuließ, konnte ich mich noch den restlichen Tag vor Peinlichkeit winden.
Die Schwester, die den Streit zwischen Sandra und Bron schlichten wollte, hielt sich immer noch in der Nähe auf und willigte ein, einen Arzt in Aprils Zimmer zu rufen. Sandra folgte mir widerspruchslos, als ich vorausging.
April lag mit drei anderen Mädchen in einem Zimmer. Sie schaute fern, als wir hereinkamen; ihr Gesicht war aufgequollen von den Medikamenten. Neben ihr im Bett hockte ein nagelneuer riesiger Teddybär, der einen Luftballon mit der Aufschrift »Gute Besserung!« in den Pfoten hielt.
Sie wandte langsam den Kopf und blickte zu ihrer Mutter, aber ihre Miene erhellte sich, als sie mich bemerkte. »Coach! Das ist ja cool, dass Sie mich besuchen. Gehöre ich noch zur Mannschaft, auch wenn ich nächste Woche das Training versäume?« »Wenn deine Mam und die Arzte dir grünes Licht zum Spielen geben, kannst du natürlich jederzeit zurückkommen. Toller Bär - woher ist der?« »Von Paps.« Sie warf einen vorsichtigen Blick auf ihre Mutter. Wahrscheinlich hatte der Teddy bereits Anlass zum Streit gegeben, aber ich fand es herzzerreißend, dass Bron seiner Tochter ein überdimensionales Spielzeug schenkte, um sie aufzumuntern. Wir redeten ein bisschen über Basketball, die Schule, den Stoff, den sie in Biologie versäumte; Sandra zupfte unterdessen an den Kissen herum, zog die Laken gerade und drängte April, Saft zu trinken (»Du weißt doch, der Doktor hat gesagt, du musst viel Flüssigkeit zu dir nehmen, wegen der Medikamente«).
Nach einer Weile kam ein junger Arzt herein mit schwarzen Locken und Pausbacken wie ein Cherub. Er wirkte locker und entspannt und scherzte ein bisschen mit April, während er ihr den Puls fühlte und sich erkundigte, wie viel sie aß und trank.
»Der große Bär soll mich bestimmt erschrecken, was? Aber so leicht krieg ich keine Angst. Halt ihn aber von deinem Freund fern, Jungs deines Alters fürchten sich vor Bären.«
Nach einigen Minuten nickte er, zwinkerte ihr zu und ging
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