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Feuerflügel: Roman (German Edition)

Feuerflügel: Roman (German Edition)

Titel: Feuerflügel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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war. Mit einem tiefen Atemzug zielte er auf Goths Brust und ließ ein Brüllen los. Der Schlag stieß Goth mehrere Zentimeter hoch in die Luft, lange genug, dass Schatten sich auf den Bauch drehen und losfliegen konnte. Er schoss auf den Tunnelausgang zu, legte die Flügel an, um direkt hindurchzusegeln.
    Wie ein Augenlid, das plötzlich herunterklappt, schloss sich die Öffnung luftdicht ab, und Schatten prallte gegen den Stein und hatte das Gefühl zu zerknautschen. Goths Gelächter hallte schmerzhaft durch seinen Schädel. Wieder erhob sich Schatten in die Luft, er wollte kein ruhendes Ziel abgeben. Er war mit Goth im Inneren des Turms eingeschlossen, wenn er auch wusste, dass sie nicht völlig allein waren. Er spürte eine andere unsichtbare Gegenwart, die durch die Luft glitt und durch den Stein um ihn herum. Das konnte nur Cama Zotz sein, der Goth in die Gestalt seines Sohnes gekleidet und die Öffnung mit solcher Leichtigkeit verschlossen hatte. Verzweifelt schoss Schatten durch den Glockenturm auf der Suche nach Ausgängen, auf der Suche nach Goth. Die Decke begann zu glühen von Klangbildern: einer gefiederten Schlange, eines Jaguars, eines Augenpaars ohne Pupillen.
    Von oben kam Goth mit tödlicher Zielstrebigkeit auf ihn herabgestürzt. Schatten scherte nach rechts aus, strich durch eine schmale Lücke zwischen hölzernen Balken. Das war etwas, worüber er noch verfügte, seine Kleinheit. Er klammerte sich unter einer Planke fest, versuchte, geräuschlos Luft durch die Nase einzuatmen, hörte das Schlagen von Goths Flügeln, als er wendete.
    „Ich hatte schon befürchtet, ich hätte die Gelegenheit verpasst, mich an dir gütlich zu tun, Schatten!“ Schatten sagte nichts, sondern überlegte. Sein einziger Ausweg war versperrt. Er war hierher gelockt worden für nur einen brutal einfachen Zweck: um getötet zu werden.
    Er presste sich fester an das Holz, um sein Zittern zu unterdrücken. Aber es war nicht nur er selber, der zitterte; das Holz unter seinen Klauen bebte, als wäre es ein lebendes Wesen, das gerade erst seine Gegenwart wahrgenommen hatte. Alarmiert eilte Schatten weiter. Aber jetzt kam ihm jedes Stückchen Holz, das er berührte, auf bizarre Weise verformbar vor wie eine Art schwammiger Vegetation.
    „Aber du sollst nicht glauben, dass es hier nur um Rache geht“, rief Goth über ihm. „Sicher wird es mir ein Genuss sein, dich zu fressen. Du hast mir Kummer ohne Ende bereitet. Aber das ist das Wenigste. Es ist überhaupt nicht persönlich gemeint.“
    Schon persönlich für mich, dachte Schatten. Gefressen werden, ist sehr persönlich.
    „Du hast einfach das Pech, in der Welt der Toten am Leben zu sein“, sagte Goth jetzt. „Und ich brauche dein Leben, um zur Oberwelt zurückzukehren, damit ich meinem Gott dienen kann.“
    Schatten fragte sich, wie es ihm gelingen könne, diese Situation zu überleben.
    „Du kannst dich nicht immer verstecken!“, rief Goth. „Ich hatte nicht gedacht, dass du ein Feigling bist!“ Der Balken, an den sich Schatten klammerte, wurde plötzlich lebendig und ein Auge und ein Maul öffneten sich in dem Holz und quollen auf ihn zu. Mit einem überraschten Knurren sprang Schatten weg und war wieder sichtbar. Er spürte, wie Goths Klanggeschosse über seinen Körper strichen, und wusste, dass er entdeckt war.
    „Nicht ich bin der Feigling!“, schrie Schatten wütend. „Ist das nicht ein bisschen einfach für dich mit der Hilfe deines Gottes? Von ihm verhüllt? Wenn er mich hier einschließt?“
    „Ja. Aber du hast Leben in dir! Und verfügst über deine eigenen Tricks. Glaub nur nicht, dass ich das vergessen habe! Deine Tricks haben mir das Leben und den Sieg geraubt und meinem Gott die Herrschaft über die Oberwelt!“
    Schatten legte einen Klangschleier um sich herum, der Goths Echos ablenkte, und machte sich so vorübergehend unsichtbar. Er konnte das nicht lange aufrechterhalten, die Anstrengung war unvorstellbar erschöpfend, und er erinnerte sich, wie Zotz ihm einst die Unsichtbarkeit wie eine Schlangenhaut abgezogen hatte. Er konnte jeden Augenblick wieder enthüllt werden.
    Schatten flog direkt auf Goth zu und merkte, wie seine Angst sich zu einer grimmigen, schrecklichen Entschlossenheit verhärtete. Er wurde zum Kampf gezwungen. Es gab keinen anderen Ausweg. Er spürte einen Pulsschlag blutrünstiger Erwartung in der Luft, als schaute Zotz mit gierigem Interesse zu. Welche Chance hatte er gegen ein Geschöpf, das bereits tot war?
    Fast da. Goths

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