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Feuerflügel: Roman (German Edition)

Feuerflügel: Roman (German Edition)

Titel: Feuerflügel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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rief. Beim Anblick und dem Klang der Stimme seines Sohnes hatte er immer wieder seinen Dank gemurmelt.
    Und zu seiner Erleichterung hatte er auch Spuren von Luna und Java und den anderen Pilgern wahrgenommen. Es beruhigte ihn zu wissen, dass sie sich wieder gefunden hatten und zusammen zum BAUM zogen. Nun lag die Kathedrale direkt auf seinem Weg und er merkte, dass er eifrig auf sie zuflatterte. Dann bremste er.
    Es lag etwas Bedrohliches im Anblick dieses menschlichen Gebäudes an einem Ort ohne Menschen. Wer hatte sie aus der Felswand gehauen und ihre mächtigen Türme gemeißelt? Vor dem Stein entdeckte er die Andeutung einer Bewegung und sah eine kleine Fledermaus, die quer vor der Basis des Glockenturms entlangeilte und durch eine Öffnung unterhalb eines der Wasserspeier verschwand. Er neigte sich zu einem langsamen Sinkflug, bewegte die Flügel auf und ab, gewann an Geschwindigkeit. Er wollte nicht, dass sein Sohn dort drinnen war.
    „Greif!“, rief er, aber sein Sohn hörte ihn nicht. Er war bereits im Inneren verschwunden.
    Bevor Schatten zur Landung ansetzte, umkreiste er rasch den Turm, an dessen Unterteil sich an jeder Ecke ein steinerner Wasserspeier duckte. Er bremste ab, drehte sich kopfüber und packte einen Stein, der knochig vorstand. Vorsichtig blickte er zum Wasserspeier hoch, der auf ihn herabschaute, und ihm stockte der Atem. Der Wasserspeier war ein Flughund, und er sah auf beunruhigende Weise wie ein riesiger Zwilling von Java aus. In das versteinerte Gesicht war ein Ausdruck des Entsetzens geschrieben. Schatten wandte sich ab und kletterte durch die gleiche kleine Öffnung, die sein Sohn genommen hatte.
    „Greif!“
    Keine Antwort. Warum antwortete er nicht? Innen war der Glockenturm vollkommen dunkel und ohne Fenster. Schatten erleuchtete ihn mit Klängen, suchte ihn ab nach seinem Sohn.
    In der Mitte befanden sich ein enges Gewebe aus hölzernen Balken und riesige metallene Zwiebeln an Seilen aufgehängt. Es war gespenstisch, wie sehr alles dem richtigen Glockenturm glich, Zephirs Glockenturm in der Oberwelt. Beinahe erwartete Schatten, die alte Albino-Fledermaus selbst zu sehen, wie sie wohlwollend auf ihn herablächelte.
    „Hier bin ich!“
    Hoch über ihm hing Greif ganz allein von einem Balken herab. Schatten stöhnte vor Erleichterung auf und flog zu ihm hin. Er wollte keine Zeit verlieren.
    „Greif, wir müssen hier raus. Wo sind die anderen?“ „Draußen. Hast du sie nicht gesehen?“
    „Nein.“
    „Du musst. Die Wasserspeier.“
    Sein Sohn grinste auf eine Art und Weise, die ihn ängstigte. Dieses Grinsen passte nicht zu seinem Gesicht, es schien zu groß und völlig schief. Schatten bekam eine Gänsehaut, als er an den Wasserspeier in Gestalt des Flughundes dachte. Und die drei anderen? Yorick ... Nemo ... Smog ... alle zu Stein verwandelt?
    „Greif, was geht hier vor?“ Er war fast bis zu seinem Sohn gekommen und wollte sich gerade neben ihm niederlassen.
    Der Körper seines Sohnes platzte, Fell und Fleisch explodierten zu winzigen Splittern von Klang und Licht. Gleichzeitig schwoll ein anderer, größerer Körper durch die Reste des alten, eine mächtige Brust brach durch Greifs kleine Rippen, riesige Flügel breiteten sich zu einer Spanne von einem Meter aus. Mitten in der Luft warf sich Schatten zurück. Durch das Gesicht seines Sohnes stieß ein schreckliches anderes Gesicht mit einer langen Schnauze, einer spitzen Nase und einer Krone aus borstigem Fell oben auf dem Schädel. Goth schüttelte den Überrest von Greifs Haut ab und grinste anzüglich auf Schatten herab. Dieser wusste, das, was er gerade gesehen hatte, war nur eine Klang-Illusion; trotzdem war das Bild, wie sein Sohn auseinander gerissen wurde, so schrecklich, dass seine Blicke und sein Klang-Sehen verzweifelt im Turminneren herumirrten und nach den Überresten Ausschau hielten – als könne er, wäre er nur schnell genug, all diese winzigen Stückchen einsammeln und wieder zusammenfügen.
    Schatten war noch fassungslos, als Goth zuschlug, ihn auf den Boden schleuderte und auf dem Rücken liegend festnagelte. Irgendwie war Goth jetzt schwerer, erkannte Schatten sofort. Wie konnten die Toten schwerer und kräftiger werden?
    „Wo ist er?“, schrie er Goth an. „Wo ist mein Sohn?“ „Humpelt zum BAUM. Mit dem anderen Jungtier.“ Raus! Hin zu ihm!
    Schatten schoss verzweifelt Echobündel ab und sah, dass es nur einen einzigen Ausgang aus dem Turm gab, den gleichen Tunnel, durch den er hereingekommen

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