Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuerflügel: Roman (German Edition)

Feuerflügel: Roman (German Edition)

Titel: Feuerflügel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
Vom Netzwerk:
als er gedacht hatte. Aber er war alles andere als beruhigt, und für einen kleinen Augenblick schwebte seine Mutter vor seinem inneren Auge und er wäre am liebsten in Tränen ausgebrochen. Es war Angst, die ihn am Weinen hinderte, ein plötzlicher Anfall von Atemlosigkeit in dem beengenden Tunnel tief unter der Erde. Lass das, sagte er sich. Denk nicht daran!
    Er eilte weiter und versuchte jetzt, seiner Angst zu entkommen. Wenigstens wurde jetzt die Brise kräftiger, ein beständiger tiefer Klagelaut, gelegentlich mit einem scharf pfeifenden Nebengeräusch, das ihn an starke Winde in einem Sommergewitter erinnerte. Kleine Steinbröckchen huschten den Tunnel entlang, wurden vom Luftstrom angesogen, und Greif konnte jetzt tatsächlich fühlen, wie ihn der beschleunigte, wenn seine Daumen oder Füße den Boden verließen, wie der Luftstrom ihn beinahe aus dem Gleichgewicht brachte.
    Für einen Furcht erregenden Augenblick dachte er, er wäre ans Ende einer Sackgasse gekommen.
    „Da sind wir ja!“, sagte er glücklich.
    Er stürzte auf die Biegung zu, dann um sie herum, darauf folgte eine zweite scharfe Kurve nach links und ...
    Der Wind riss Greif um die Ecke, breitete von hinten seine Flügel aus und schleuderte ihn kopfüber den Tunnel entlang. Mit einem Aufschrei versuchte er, die Flügel anzulegen, sich mit den hinteren Klauen im Boden festzukrallen, aber der Wind war zu stark. Seine Handgelenke knickten ein und er fiel mit dem Kinn heftig auf den Boden, er war wie benommen, wurde vom Wind vorwärts getrieben.
    Verzweifelt sandte er Töne aus und sah, dass sich die Neigung des Tunnels langsam, aber sicher zu einem steilen, senkrechten Schacht hinabbog und er hilflos darauf zutaumelte.
    Der Sog war jetzt überwältigend stark, seine Daumen und hinteren Krallen zogen Furchen in den Fels. Er wuchtete seinen Körper zur Seite und es gelang ihm, sich quer in den Tunnel zu stemmen. Aber nur für ein paar Sekunden konnte er sich so halten, dann riss ihn der kreischende Wind los. Jetzt fiel er, wurde immer schneller, der Fels versengte ihm die Haut, wenn er versuchte, die Flügel auszubreiten, um seinen Sturz abzubremsen.
    Freier Fall.
    Immer tiefer. Mit der Nase voran, und plötzlich ... Über ihm blinkten Sterne.
    Er fiel aus einem Loch im Himmel.
    Er war in die Tiefe der Erde gestürzt und nun war er im Himmel und schoss rasend nach unten. Auch wenn er jetzt mühsam die Flügel ausbreiten konnte, verringerte das kaum seine Geschwindigkeit.
    Er schnappte nach Luft. Unter sich sah er die ganze Welt wie einen riesigen Ball aus dunklem Stein, der sich langsam drehte, so weit war sie von ihm entfernt. Er konnte nicht glauben, dass er so hoch oben war, beinahe auf gleicher Höhe mit den Sternen, aber schnell hinabstürzte, zur Erdoberfläche hinabgezogen wurde, als hätte er Gewichte an den Flügeln. Wind kreischte ihm ins Gesicht, er flog in engen Spiralen, blinzelte verzweifelt, um seine überquellenden Augen frei zu bekommen.
    Allmählich begann die Welt da unten sich zu zeigen: die Furchen von Hügelketten, die dunklen Narben von Tälern oder Flüssen, schwarze Flecken von Wald. Er versuchte, seinen eigenen Wald zu entdecken, seinen Fluss, den Baumhort, aber diese undeutliche Landschaft war überhaupt nicht wieder zu erkennen. Unter ihm erhob sich ein Wald. Immer noch näherte er sich ihm viel zu schnell. Er war an den raschen Sturz einer Landung gewöhnt, aber dies war zu viel. Verzweifelt sandte er Klänge aus, um einen geeigneten Landeplatz auszuwählen. Er bäumte sich auf, stellte die Flügel an, um zu bremsen. Er sah, wie die Bäume auf ihn zurasten, dann war er auch schon mitten unter ihnen, wurde von Blättern, Zweigen und Kiefernnadeln getroffen, griff wild um sich nach allem, was seinen Fall bremsen könnte.

–5–
Der Baumhort
    Schatten und seine vier Begleiter überquerten die letzte Bergkette und folgten den Baumkronen ins Tal. Ganze Waldstreifen sahen aus, als wären sie von einer riesigen Pranke zusammengeschlagen worden. Er konnte die Bestürzung von Vögeln und Vierfüßlern hören, während er über sie hinwegsegelte. Bitte, dachte er inständig, lass den Baumhort unversehrt sein. Nicht mehr weit jetzt, nicht weit.
    Dort, geradeaus, steht noch!
    Aber als Schatten sich dem Baumhort näherte, sah er, dass ein großer Ast abgebrochen war und in halber Höhe des Stammes ein gähnendes Loch gelassen hatte. Ohne zu zögern kantete er die Flügel und flog durch das Astloch.
    Drinnen herrschte ein Chaos

Weitere Kostenlose Bücher