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Feuerflügel: Roman (German Edition)

Feuerflügel: Roman (German Edition)

Titel: Feuerflügel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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üble Feinde zu sehen.
    Schatten rief über die Baumwipfel nach Java und Nemo. Er berichtete ihnen von seinen glücklichen Neuigkeiten, während sie gemeinsam zum Treffpunkt flogen. Der Baum – eine gespenstische Kreuzung, die Schatten noch nie gesehen hatte, halb Eiche, halb Zeder – stand nahe am Rand des Kraters. Von seinen obersten Zweigen überblickte Schatten weiteres Ödland, das grenzenlos schien. Yorick war schon da und wartete auf sie.
    „Ihr habt euch verspätet, allesamt“, keifte er zur Begrüßung. „Ich wollte gerade allein losfliegen.“
    „Verschone uns“, erwiderte Nemo. „Dass du allein losfliegst, ist so wahrscheinlich, wie dass du von einer Sternschnuppe getroffen wirst.“
    „Schattens Sohn ist hier gewesen“, berichtete Java Yorick mit einem Lächeln.
    „Er ist uns vorausgeflogen zum BAUM“, ergänzte Schatten. „Besteht eine Chance, dass wir ihn einholen?“
    „Wir wollen uns nicht selber überholen, oder“, sagte Yorick. „Ich muss unsere nächste Strecke festlegen, und im Übrigen bringt mich mein Flügel noch um, nicht als ob irgendjemand je die geringste Anteilnahme gezeigt hätte.“
    „Wir haben dich ertragen, nicht wahr?“, bemerkte Nemo. „Nicht viele würden das tun, schätze ich.“ Yorick gab darauf keine Antwort, ließ sich bloß vom Baum fallen und kreiste, um sich zu orientieren. Schatten wartete ungeduldig.
    „Es ist ganz verkehrt“, murmelte Yorick. Seine Stimme wurde lauter. „Die verdammten Pilger müssen einen Fehler gemacht haben. Da sollte eine klare Furche in der Erde sein, der wir folgen können, aber sie ist nicht da.“
    Schatten blickte auf das Spinnennetz von Rissen in der Schlammebene. Offensichtlich gab es nicht einen einzigen Spalt, der einen geraden Weg nahm.
    „Es ist so, als ob die Landschaft sich komplett verändert hätte!“, jammerte Yorick.
    „Frieda hat uns ja gesagt, die Karte könnte sich ändern“, meinte Java. „Daran kann ich mich erinnern.“ „Deshalb sollten wir uns auch beeilen!“, klagte Yorick und warf Schatten und Smog einen hasserfüllten Blick zu, „und keine Zeit mit Ablenkungen vergeuden. Erinnert ihr euch? Sie hat uns alle gewarnt. Nun schaut euch das Durcheinander an, in dem wir uns befinden!“ Schatten flog vom Baum hoch. „Sing mir die Karte“, forderte er Yorick auf und bedauerte sofort die Schärfe in seiner Stimme.
    „Mit Sicherheit nicht“, entgegnete Yorick. „Die Karte gehört mir und mir allein.“
    „Mach dich nicht lächerlich. Sie ist für jeden, der zum BAUM muss.“
    „Ich werde sie dir nicht geben, und du kannst mich nicht dazu zwingen“, sagte Yorick mürrisch.
    „Sing sie ihm“, sagte Nemo, „vielleicht hat er mehr Glück mit ihr.“
    „Das werde ich nicht tun.“
    „Warum nicht?“, wollte Schatten wissen. „Du willst doch zum BAUM, oder nicht?“
    „Natürlich, aber ...“
    „Wovor hast du Angst, Yorick?“, fragte Java mit ihrer honigsüßen freundlichen Stimme.
    „Wenn ich sie euch allen singe, woher weiß ich, dass ihr dann nicht ohne mich weiterfliegt? Es ist nicht so, dass ihr eine verkrüppelte Fledermaus braucht, die euch aufhält.“
    Er sah so niedergeschmettert und Mitleid erregend aus, dass er Schatten sofort Leid tat.
    „Das würden wir doch nicht tun“, sagte Schatten. „Ich hatte nur gedacht, ich könnte helfen. Ich kenne mich auch gut aus mit Karten.“
    Aber Yorick war trotz der Versicherungen, die von Java und Nemo kamen, immer noch nicht bereit, die Karte zu singen.
    Schatten blickte verzweifelt zum Horizont.
    „Schaut her“, sagte er, als ihm plötzlich etwas klar wurde, „mein Sohn muss vor ganz kurzem eine Karte bekommen haben, oder? Also brauchen wir ihm nur zu folgen.“
    „Zugegeben, aber wie?“, fragte Yorick, als wäre Schatten verrückt geworden.
    „Wenn er in der Nähe wäre, könnte ich seine Echos hören.“
    „Das kannst du?“, fragte Java ungläubig. „Mit deinen Ohren?“
    Schatten schloss die Augen und horchte, schloss die anderen Geräusche aus, schwamm durch die Zeit zurück. Er hörte die Spur eines Echo-Bildes voraus und flog hinter ihm her über die Wüste.
    Als er sich näherte, sah er, dass es ein Silberflügel-Junges war, ein weibliches – und an ihrer Seite war ein zweiter, verschwommener Flügelblitz.
    Greif.
    Schatten horchte, wie ihre Echo-Reste auf den Horizont zuwehten, dann öffnete er die Augen und legte ihre Klangspur über die Landschaft, um ihren Kurs abzustecken.
    „Ich hab’s!“, rief er den anderen zu.

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