Feuerflügel: Roman (German Edition)
allmählich in einen riesigen, flachen Krater abfiel. Nach ein paar weiteren hundert Flügelschlägen konnte er die Spitzen von Bäumen erkennen. Es war das erste Mal, dass er hier irgendetwas Lebendiges sah – wenn man das Wort lebendig überhaupt benutzen konnte –, und die Bäume wirkten sogar vertraut. Sein Herz schlug schneller. Wenn er wie Greif ein Jungtier wäre, wenn er irgendeine Art Fledermaus wäre, würde ihn dieser Ort sofort anziehen, weg von der Wüste.
Yorick wandte sich an ihn: „Du kannst dich gründlich umschauen, aber wir werden nicht lange bleiben, denk daran. Wenn du mit uns fliegen willst, brichst du auf, wenn wir es sagen.“ Für Smog hatte er ein säuerliches Grinsen übrig. „Auf jeden Fall kann ich mir nicht vorstellen, dass wir sehr willkommen sind mit einem Vampyrum im Schlepptau.“
Schatten nickte.
„Mach dir keine Sorgen“, sagte Java. „Ich helfe dir bei der Suche.“
„Meine Augen und Ohren sind schärfer als die der meisten“, prahlte Nemo. „Ich kann einen Fisch unter der Wasseroberfläche eines Flusses hören und ihn mir schnappen, bevor er merkt, dass sich das Wasser kräuselt.“
„Danke“, sagte Schatten.
„Seht ihr alle den höchsten Baum dort?“, befahl Yorick. „Das ist unser Treffpunkt. Von dort aus setzen wir unsere lustige kleine Reise fort.“ Er betrachtete prüfend den Himmel. „Wenn dieser große Stern da den Horizont berührt, brechen wir auf.“
Schatten fand den Stern. Schon war er nicht mehr weit vom Rand der Erde entfernt. Nun, da sie sich der Grenze der Oase näherten, konnte er erkennen, wie groß sie war. Einen riesigen Wald galt es zu durchsuchen, und es blieb nur ein Hauch von Zeit, in dem man das tun konnte.
„Wenn wir uns trennen, können wir ein größeres Gelände abdecken“, meinte Java zu Schatten. „Noch etwas, was du wissen solltest. Die Fledermäuse, die hier wohnen, sie werden glauben, dass sie noch am Leben sind.“ „Ich verstehe.“
„Also sei vorsichtig, wenn du mit ihnen sprichst. Normalerweise sind sie nicht allzu glücklich darüber, Pilger zu treffen. Sie denken, wir sind verrückt.“
Als Java und Nemo abbogen, schüttelte Yorick missbilligend den Kopf. „Passt nur auf, dass ihr es zurück zum Treffpunkt schafft“, rief er ihnen nach. „Ich warte auf niemanden! Ich würde dir natürlich suchen helfen“, sagte er zu Schatten, „aber mein kaputter Flügel und so. Ich muss mich ausruhen oder ich halte keine zehn weiteren Schläge durch.“ Damit flatterte er weg, um einen Ruheplatz zu finden.
Schatten verschwendete keine Zeit. Er stürzte sich in die Bäume, ohne sich darum zu kümmern, wie viel Lärm er jetzt machte.
„Greif!“, brüllte er. „Greif!“
Er war überrascht zu sehen, dass der Wald von anderen Silberflügeln wimmelte, und seine Stimmung stieg.
„He!“, rief er. „Ich suche jemanden! Könnt ihr mir helfen!“
Nicht einer von ihnen hielt an. Und es lag nicht daran, dass sie ihn nicht hören konnten. Er erwischte mehrere von ihnen dabei, dass sie sich rasch umblickten und dann noch schneller mit den Flügeln schlugen, als wären sie auf der Flucht vor einem tödlichen Raubvogel. Sie verschwanden so schnell zwischen den Ästen, dass er nicht mitkam.
„Wartet!“, rief er ihnen frustriert hinterher. „Ich suche nach jemandem! Greif Silberflügel!“
„Du hast diesen Namen gerufen, als ich dich zum ersten Mal gesehen habe.“
Schatten warf sich herum und sah Smog durch das Laub herab und auf ihn zufliegen. Er hatte gedacht, Smog wäre zum Treffpunkt weitergesegelt, um dort zu warten. Wie lange war er ihm gefolgt?
Kein Wunder, dass er kein Glück damit hatte, mit den anderen Fledermäusen zu sprechen.
„Du verschreckst sie alle!“, sagte Schatten scharf.
„Vielleicht ist es auch dein Leuchten, wovor sie Angst haben“, erwiderte Smog.
„Ein Leuchten ist eine Sache, eine Kannibalenfledermaus ist eine ganz andere Ebene des Schreckens.“
„Hast du Greif auf deinen Reisen verloren?“
Schatten antwortete nicht, er hatte nicht den Wunsch, mit Smog irgendetwas über seinen Sohn zu teilen. Es störte ihn schon, dass dieses Geschöpf auch nur den Namen seines Sohnes kannte. Und mit Sicherheit wollte er nicht, dass Smog wusste, Greif war am Leben.
„Schau her“, sagte Schatten nervös, „vielleicht ist es am besten, wenn du einfach am Treffpunkt auf uns wartest.“
„Wolltest du mit diesen Fledermäusen sprechen?“ „Das war meine Absicht, ja.“
Smog knurrte
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