Feuerflügel: Roman (German Edition)
ungeduldig, dann flog er an Schatten vorbei auf eine Lichtung und kreiste in Höhe der Baumwipfel.
„Hört mir zu!“, trompetete Smog. „Ihr kennt meine Gattung, ihr wisst, dass wir hier milliardenweise leben. Schatten Silberflügel möchte mit euch reden. Beantwortet seine Fragen! Oder ich werde euch eine Armee von Vampyrum schicken, die jeden Einzelnen von euch versklaven und an einen Ort des Leidens bringen wird, wie ihr ihn euch gar nicht vorstellen könnt! Also sprecht jetzt!“
Smog flog zu einem Baum und ließ sich dort nieder und blickte boshaft über die Lichtung und auf die umgebenden Bäume. Schatten kreiste überrascht, er staunte über das, was Smog gerade getan hatte.
Flüstern flatterte durch die Bäume, Flügel knirschten aufgeregt. Dann kam aus der Deckung einer großen Kiefer die unsichere Stimme eines Silberflügel-Weibchens.
„Ich bin Corona, die Älteste hier. Ich will mit dir sprechen.“
Schatten konnte sein Glück kaum fassen. „Ich suche nach einem Jungtier“, sagte er eifrig. „Greif Silberflügel. Ist er hier?“
Es gab eine kurze Pause und dann: „Wir haben ein Jungtier gesehen, es hat uns aber nicht seinen Namen genannt. Er war jedoch wie du. Mit einem Leuchten.“ Ein Leuchten. Ein Leben.
„Wo ist er?“
„Nicht mehr hier.“
„Vor wie langer Zeit ist er weggeflogen?“, fragte Schatten bekümmert.
„Vor nicht allzu langer Zeit. Vielleicht vor einer ganzen Umdrehung der Sterne.“
„Hat er gesagt, wohin er gegangen ist?“
„Er hat mit den Pilgern gesprochen und ist zu dem BAUM aufgebrochen, von dem sie erzählen.“ Hier nahmen ihre Worte einen verächtlichen Ton an.
„Ist er allein geflogen?“
„Nein. Er hat eine andere Fledermaus überzeugt, mit ihm zu fliegen. Ein anderes Jungtier namens Luna. Ein törichtes Kind.“
Luna. Woher war ihm dieser Name vertraut? Dann fiel ihm ein, dass es sich um Greifs Freundin vom Baumhort handelte. Die im Feuer verletzt worden war, wurde ihm mit einem kalten Schauder klar. Sie musste gestorben und hierher gekommen sein. Dass sein Sohn nicht allein war, erleichterte Schatten. Das war eine gute Nachricht. Es würde Greif bei Laune halten, und die beiden würden sich gegenseitig helfen. Einer von ihnen musste die Karte haben.
„Ging es ihm gut, dem Jungen?“, fragte Schatten. „War er nicht verletzt?“
Ein schreckliches Schweigen sickerte aus den Bäumen. Schatten zog sich vor Angst das Herz zusammen. Was verbargen sie vor ihm?
„Sagt ihm, wonach er fragt!“, brüllte Smog von seinem Ast.
ja“, stotterte Corona, „es ging ihm gut.“
„Sag die Wahrheit“, bellte Smog, „oder ich komme zurück, um euch mit euren Lügen zu konfrontieren!“
„Einige waren misstrauisch wegen seines Leuchtens und wollten, dass er ging. Sie haben versucht, ihn zu vertreiben.“
Schattens Herzschlag dröhnte ihm in den Ohren, sodass er kaum hören konnte. Wut drohte seine Stimme zu ersticken.
„Ihr habt ihn angegriffen?“
„Er ist nicht verletzt worden. Sie wollten ihn nur vertreiben.“
„Weil er geleuchtet hat?“
„Weil er diese Kolonie mit Lügen vergiften wollte! Indem er behauptete, wir wären tot und sollten zum BAUM ziehen. Aber ich versichere dir, das Jungtier ist nicht verletzt worden. Ich habe deine Fragen beantwortet. Ich möchte euch bitten, euch jetzt auf den Weg zu machen.“
Mit einem Flügelrauschen waren die Fledermäuse verschwunden.
Schatten kreiste. Erleichterung untergrub seine Wut. Greif war am Leben, und jetzt wusste Schatten, wohin er zog. Er würde ihn einholen.
Wenn die Zeit reichte, würden sie durch den Tunnel im steinernen Himmel entkommen. Wenn nicht, müssten sie es mit dem BAUM riskieren.
„Also. Dein Sohn ist schon auf dem Weg“, sagte Smog und kam herübergeflogen.
„Ja“, erwiderte Schatten. Dann runzelte er die Stirn, in seinem Kopf schrillte eine Alarmglocke. „Ich habe nie gesagt, dass er mein Sohn wäre.“
Smog stieß ein heiseres Gelächter aus. „Das brauchtest du nicht. Ich hatte einst auch Kinder.“
„Oh“, sagte Schatten. Er konnte Smog nicht in die Augen blicken, er konnte ihm nicht danken. Nie hatte er sich vorgestellt, er würde von einem Kannibalen Hilfe bekommen. Er war noch misstrauisch, aber sein Misstrauen war von Schuldgefühlen durchsetzt. Vielleicht war es ja hier in der Unterwelt möglich, dass Silberflügel und Vampyrum in einer Art Waffenstillstand lebten. Dennoch wusste er nicht, ob er je aufhören könnte, in den Vampyrum etwas anderes als
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