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Feuerflut

Feuerflut

Titel: Feuerflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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nicht im geringsten zu helfen. Ich muß heimkehren. Vielleicht verzeihen meine Lehrer mir meine Dummheit, aber ich fürchte mich davor, ihnen unter die Augen zu treten. Den Namen, den ich trage, verleihen sie selten, aber mir haben sie ihn gegeben, und nun werden sie enttäuscht sein.“
    „Laß mich mit dir kommen.“
    Sie wünschte sich das; zögerte und verfluchte sich für diese Schwäche. „Es kann sein, daß sie mich verstoßen, und dann wärst auch du ein Verstoßener. Bleib hier, Arevin.“
    „Es wäre mir gleichgültig.“
    „Das wäre es nicht. Nach einer Weile würden wir einander hassen. Ich kenne dich nicht, und du kennst mich nicht. Wir brauchen Ruhe, Stille und Zeit, um einander verstehen zu lernen.“
    Er trat zu ihr und schlang seine Arme um sie; für einen Moment standen sie so beisammen. Als er den Kopf hob, weinte er. „Bitte kehre zurück“, sagte er. „Was auch geschieht, kehre zurück.“
    „Ich will es versuchen“, sagte Schlange. „Halte im nächsten Frühling, wenn die Winde verstummen, nach mir Ausschau. Und im Frühling danach, sollte ich nicht gekommen sein, vergiß mich. Wo ich auch sein werde, falls ich lebe, vergesse ich auch dich.“
    „Ich werde nach dir Ausschau halten“, sagte Arevin; mehr versprach er nicht.
    Schlange ergriff die Zügel des Ponys und trat ihren Weg durch die Wüste an.

 
Fremde Augen
     
    Ich träume. Ich greife nach etwas, was ich verloren habe, nach etwas Schönem. Ich weiß nicht mehr, was es ist, aber ich weiß, daß es da ist. Im Hintergrund hallen Geräusche. Etwas ist meinen Händen im Weg. Ich stoße gegen eine Barriere, angestrengt, hilflos. Ich öffne die Augen, und es ist dunkel, und ich erinnere mich. Ich liege in meiner Schlafstelle und presse die Hände gegen die Decke über mir, als könnte ich sie wegstoßen und wieder frei sein. Meine Hände fahren über die glatte, kühle Oberfläche bis in die Ecken, die so weit auseinander liegen, wie meine Schultern breit sind, und dann die Wände hinunter bis zu den schmalen Zwischenräumen rechts und links von mir. Meine Hände halten inne, und ich liege still.
    Ein kurzer, scharfer Schmerz zuckt durch mein Bein, als die Kanülen sich aus dem Ventil ziehen, das in meinen Knöchel implantiert ist. Die Glocke, die mich geweckt hat, läutet wieder, die Glocke, die uns an unsere Arbeit ruft. Zu meinen Füßen öffnet sich die Klappe, und ein Lichtstrahl bohrt sich in das finstere Loch, in dem ich eingesperrt bin. Ich drehe mich um und krieche hinaus, rückwärts, auf den Ellenbogen, so daß ich nicht mit dem Rücken an der Decke entlangkratze. Ich stehe auf dem Laufband, zwischen den formlosen, grauen Gestalten der anderen. Unsere Routine ist unverändert, unveränderbar. Das Laufband beginnt zu gleiten und bringt uns an unsere Schaltstände. Alle um mich herum flüstern und lachen, aber ich bin still.
    Sie behaupten alle, sie wüßten, was Schönheit ist. Sie sagen, sie sehen sie in jeder Arbeitsperiode. Sie sagen, die Muster, die uns dirigieren, beruhigen, erfreuen, erregen sie. Sie sind stolz darauf, daß sie besser sind als die Maschinen. Sie sagen, es ist Ekstase. Wenn es in meiner Erinnerung nichts gäbe als die Schwärze und die Schatten und die zerbrochenen Lichtbalken, dann könnte ich vielleicht ebenso zufrieden sein, aber ich kann niemals fühlen, was sie fühlen.
    Das Laufband hält an. Ich drehe mich um, mache zwei Schritte und gleite in den Sitz meines Schaltstandes. Die Angst, die mich jeden Tag anrührt, reicht tiefer. Ich habe schon früher versucht, dem Helm auszuweichen, und eingesehen, daß es nicht geht. Er umschließt meinen Kopf und sperrt die Schatten aus, die ich sehen kann. Die Sonden schieben sich vor und berühren die metallenen Buchsen, die meine Augen ersetzen. Ich zucke zurück, aber ich kann nicht ausweichen. Die Sonden dringen ein, und die Muster beginnen.
    Ich arbeite schwer. Ich tue meine Pflicht. Ich beobachte die Muster aus Licht und Dunkel, und ich tue, was sie mir sagen. Aber ich möchte gern das Tageslicht wiedersehen.
    An den Himmel und an die Bäume kann ich mich am besten erinnern. Die Bäume streiften mit ihren Wipfeln durch das Blau, rings um unser Haus. Die Rinde war rauh, und die Nadeln waren weich und spitz. Wenn ich auf die Bäume kletterte, waren meine Hände klebrig von goldenem Harz, das den Duft von Immergrün an meinen Fingern hinterließ. Der Himmel hatte die Farbe der Augen meiner Mutter (ob sie sie ihr wohl auch genommen haben?). Ich habe nur

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