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Feuerflut

Feuerflut

Titel: Feuerflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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nicht habe. Sie fordern mich noch einmal auf. Sie schlagen mich. Ich hebe die Arme schützend vor mein Gesicht, und sie schlagen mich wieder. Ich kann nur trocken schluchzen. Meine Lider öffnen sich, und die schweren Dinge dahinter treiben die häßlichen Schatten und Lichter in mein Hirn. Man führt mich zu einem Tisch, und ich muß mich darauf legen. Sie schnallen mich fest, so daß ich mich nicht bewegen kann, und dann fangen sie an, meine Augen zu untersuchen.
    Es tut weh. Es dauert lange, und ich kann nicht einmal ihre Schatten sehen. Es tut weh.
    Sie sind fertig. Sie binden mich los, stoßen mich hinaus. Ich höre, wie sie lachen, als ich auf den gleitenden Boden stolpere. Es klingt häßlich. Mein Kopf schmerzt. Ich gehe wieder an meinen Platz und setze mich hin. Die Lichter sind zu hell, das Schwarz ist zu dunkel, aber ich darf nicht aufhören. Meine Hände zittern. Mir fällt ein, daß ich mir eine neue Möglichkeit ausgedacht habe, um wieder sehen zu können, und für eine Weile vergesse ich den Schmerz.
    Endlich ist meine Zeit um. Der Boden bringt uns zurück zu unseren Schlafstellen. Geduckt krieche ich hinein. Ich muß den Knöchel an die Kanüle legen, sonst kann sich die Klappe zu meinen Füßen nicht schließen und ich werde bestraft. Ich erinnere mich an weiche, duftende Lager aus Kiefernzweigen und an das angenehme, zarte Kratzen ihrer Nadeln. Heute nacht fürchte ich den Schmerz nicht. Ich tue, was man von mir erwartet, und warte darauf, daß die Klappe sich schließt und das Licht aussperrt.
    Ich hebe die Hände und berühre meine Augen. Meine Kehle kribbelt erwartungsvoll. Es wird so gut tun, die Farben wieder zu sehen und sich zu erinnern, wie sie wirklich sind. Ich weiß, daß es so gehen wird. Ich fasse hinauf …
    Meine Hände zucken zurück. Sie können mich hier nicht bestrafen. Sie können nicht. Dies ist mein Platz, meine Zeit … Ich greife noch einmal hin, und diesmal ist der Schock stärker. Meine Finger zucken reflexartig zurück, und mein Hinterkopf schmerzt, wo er sich gegen das Bett preßt. Wieder stehlen sich meine Hände hoch. Der Schock ist so stark, daß der Funke noch in meinem Hirn aufblitzt. Es riecht nach versengtem Fleisch, und meine Finger sind taub. Ich lege sie auf die Lippen und schmecke Blut. Ich weiß, daß sie morgen schmerzen werden, wenn ich sie bei der Arbeit brauche.
    Aber selbst wenn sie nicht schmerzen würden, könnte ich meine Augen nicht berühren. Die Schattenmenschen lassen es nicht zu. Wenn sie es nur täten … ich weiß, ich könnte sehen.
    Ich möchte weinen. Ich wollte, ich hätte Tränen.

 
Flügel
     
    Lange nachdem die letzten Besucher den Tempel verlassen hatten, als die Zeit begonnen hatte, nahezu unbemerkt in tiefem, gleichmäßigem Strom zu vergehen, erschien eine Gestalt, in weiter Ferne und kaum zu erkennen hinter den hauchdünnen, moiréseidenen Lichtmustern der Auroras. Sie ignorierte die Passagen zwischen den Lichtschleiern, die letzten Endes langsam auf die einzige Struktur auf den Hügeln hinführten, auf das einzige, worauf sie sich überhaupt richten konnten. Dort, wo die Gestalt durch die Membranen stieß, wallten sie dunkel, verfärbten sich, berührten und schlössen sich wieder. Der Wächter des Tempels konnte die zornig-violette Bahn ihrer Heilung verfolgen, und seine eigenen Wunden schmerzten mitfühlend. Er schlang seine langen Arme noch enger um seine knochigen Knie und beobachtete die herannahende Gestalt mit großen, nachdenklichen Augen, und seine Wimpern bewegten sich langsam auf und ab.
    Der Wächter war so lange allein gewesen, daß ihm seine Abgeschiedenheit zur Gewohnheit geworden war; einen Moment lang hoffte er, die Gestalt möge ein Wanderer sein, der sich verirrt hatte, aber weiter mußte; er würde ihm die Richtung weisen und ihn auf den Weg bringen können. Er konnte jetzt sehen, daß es eine Person war, die sich geradewegs und zielstrebig vorwärts bewegte. Der Wächter fragte sich, wie sie wohl hergefunden haben mochte, ohne dem Labyrinth zu folgen. Der Himmel war zwischen den Schleiern verborgen.
    Er sah, daß die Gestalt müde war. Sie wankte oder taumelte nicht, aber sie kam nur langsam voran. Die Auroras schienen ihr Vordringen zu behindern. Endlich brach sie durch den letzten Schleier, sie stolperte und stürzte gegen die niedrige Mauer, sie griff hoch, um sich hinüberzuziehen, doch es gelang ihr nicht. Der Wächter sah nur ihre Hand, zwei schwarze Finger, einen Daumen und die Spitzen silberner Krallen

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