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Feuerflut

Feuerflut

Titel: Feuerflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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schnell hätte hindurchgraben können. Sie folgte ihr nach oben, in der Hoffnung, daß sie irgendwann abknicken und wieder abwärts führen würde. Aber das tat sie nicht, und so brach sie durch den Mutterboden in das eisige Schweigen der nächtlichen Wildnis. Erde und kleine Steinchen rieselten von ihrem Schulterpanzer. Von der Kante des aus dem Boden ragenden Felsens schaute sie, in Infrarot, über das Ziel ihrer Reise hin.
    Es war ein erregender Anblick. Am Fuße des baumbestandenen Abhangs lag eine wild durcheinandergewürfelte Masse geschwärzter Holzblöcke: die erste Barriere, die das Land der Flieger gegen Eindringlinge schützte. Dahinter, unterhalb des Vulkans, erstreckte sich wieder ein ödes Gelände aus erstarrter Lava. Die geschmolzenen Felsmassen waren aus dem Krater heraus die Bergflanken hinuntergeflossen; kurz über dem Fuß des Berges hatte sich der Lavastrom in zwei Äste geteilt, die nun, einer auf jeder Seite, sich herunterzogen, bis sie, wie wirkliche Flüsse, ins Meer mündeten. Das Nordufer lag ganz in der Nähe, und die nachtfahlen Wellen leckten sanft über den trüben, kühlen Strand. Im Süden war die Lava durch ein größeres Waldstück gekrochen, sie hatte die Bäume auf ihrem Weg verbrannt und jene, die außerhalb ihrer Glut standen, umstürzen lassen; die Entfernung bis zum Ozean war hier ein ganzes Stück größer. Die weiten, massigen Fluten und der undurchdringliche hölzerne Verhau bildeten eine natürliche Barrikade. Die Flieger lebten auf ihrer Halbinsel wie in einem Exil, aber sie blieben dort freiwillig. Die Menschen hatten keine Möglichkeit, sie dort festzuhalten, außer indem sie sie töteten. Sie konnten ihnen die Flügel wieder nehmen, sie an den Boden ketten oder einsperren, aber sie wollten die Flieger lediglich isolieren, nicht ermorden. Und Mord wäre es gewesen, wenn sie diese Geschöpfe am Fliegen gehindert hätten.
    Die Basaltströme glühten noch von der Hitze des Tages, und der Vulkan selbst war ein sanft strahlender Kegel; hier und da kam wallendes Magma funkelnd an die Oberfläche. Hell leuchtender Dampf stieg aus dem Krater, und zwischen seinen Wolken schwebten Schatten in Spiralen rings um die aufsteigende Säule. Einer der Schatten tauchte gefährlich tief zur Erde herunter, beinahe wäre er zerschmettert, doch im letzten Moment zog er wieder hoch und jagte himmelwärts. Ein weiterer folgte ihm und wieder einer, und Dark erkannte, daß sie spielten. Wie in Trance schmiegte sie sich an die Felskante und sah dem Spiel der Flieger zu. Sie bemerkten sie nicht. Zweifellos konnten sie besser sehen als sie, aber ihre Augen würden von der leuchtend schwarzen Hitze zu sehr geblendet sein, als daß sie die durch einen Panzer abgeschirmte Wärme eines erdgebundenen Geschöpfes hätten wahrnehmen können.
    Lärm und Licht brachen explosionsartig über sie herein. Hinter der Felsklippe, die ihn verborgen hatte, tauchte ein Hubschrauber auf; er hing schräg in der Luft und pflügte sich auf sie zu. Bis zu diesem Augenblick hatte sie ihn weder gesehen noch gehört noch gefühlt. Er mußte am Boden auf sie gewartet haben. Seine Suchscheinwerfer erfaßten sie, und für einen Moment war sie geblendet, bis sie sich in einer beinahe automatischen Reaktion losriß und über den nackten Felsen auf die Erde dahinter zuglitt. Sie hetzte auf die Bäume zu, während die Maschine brüllend über ihr hing und eine Wolke von Schmutz, Blättern und Steinchen aufwirbelte. Kreischend zog der Hubschrauber nach oben, knapp an den Baumwipfeln vorbei. Als er wendete, um erneut auf sie herabzustoßen, verschwand Dark im Wald.
    Sie war unvorsichtig gewesen. Die Faszination, mit der sie den Vulkan und die Flieger betrachtet hatte, war ihr zum Verhängnis geworden. Ihre Reglosigkeit mußte die Menschen davon überzeugt haben, daß sie eingeschlafen oder bewegungsunfähig war.
    Unsicher, ob es ihr helfen würde, grub sie sich in die Erde. Sie spürte, wie der Hubschrauber landete, und dann fühlte sie die leichteren Vibrationen von Schritten. Mit derselben Technik konnten die Menschen sie finden; sie brauchten nur ihre Grabgeräusche zu verstärken. Von jetzt an benötigten sie nicht einmal mehr ihr Funksignal.
    Sie erreichte die Grenze zwischen Felsengrund und Erde und folgte ihr gegen einen nun geringer werdenden Widerstand. Für einen Augenblick hielt sie inne, hörte Bewegung und ihre Echos. Sie fühlte sich gefangen zwischen Geräuschen von oben und unten. Wieder begann sie zu graben. Sie

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