Feuerflut
sie weit von der Welt entfernt und sank zurück auf ein winziges Etwas von Bewußtsein, das knapp hinter dem Ort saß, wo ihre Augen einst gewesen waren. Sie versuchte, sich in Trance zu versetzen, doch dagegen hatte man vorgesorgt. Man verhinderte es mit Drogen. Ihre Gedanken verknoteten sich mit Phantasien zuerst so unaufdringlich, daß es ihr gar nicht bewußt wurde. Später trennten sie sich vollkommen von der Wirklichkeit, wurden bizarrer und auffälliger. Schließlich waren sie von der Wirklichkeit nicht mehr zu unterscheiden, zu fremdartig, um ihren Sinn zu begreifen. Sie erinnerte sich an das Gefühl aufsteigenden Wahnsinns.
Kylis sah, wie sie Gryf demselben Schicksal aussetzten. Sie schalteten die Monitoren ein. Sollte er darum bitten, herausgelassen zu werden, würden die Lautsprecher ansprechen, und man würde ihm seinen Wunsch erfüllen.
Danach kam niemand mehr näher. Kylis* Aufenthalt in der Kammer hatte nur acht Tage gedauert, doch die Sensorische Entziehung hatte ihr Zeitgefühl verändert und die Zeit zu Wochen, Monaten, Jahren gedehnt. Nun verbrachte sie ihre Zeit ähnlich isoliert und wartend. In unregelmäßigen Intervallen fiel sie in Schlaf, ohne es zu merken, und wenn sie erwachte, war alles beim alten. Sie fürchtete sich davor, an Gryf zu denken, fürchtete, sich vorzustellen, was mit Jason geschah, allein dort draußen, fürchtete sich, über ihre eigene Lage nachzudenken. Die Halluzinationen kehrten zurück und machten ihr zu schaffen. Die Glaswand wurde zu Eis und zerschmolz in großen Pfützen, die Wände verwandelten sich in Schneebänke, die der Wind davonblies. Dann begann ihr Körper zu zittern, und sie erkannte die Realität der Mauern und fühlte erneut die Hitze. Sie fühlte Gryfs Berührung und wandte sich ihm zu, um ihn zu küssen, doch er war niemals da. Sie fühlte ihren Geist in einen Strudel der Illusionen und der Verwirrung strömen und besaß nicht genug Kraft, um sich dagegen zu wehren. Manchmal weinte sie.
Sie lag in der Zelle und fühlte, wie sie sich veränderte, spürte, wie ihr Mut in der sterilen Öde dahinfloß. Die Wände der Zelle umgaben sie, flüsterten ihr leise und eindringlich zu, doch zu tun, was so einfach war, um ihr Überleben zu sichern.
Abrupt setzte sie sich auf und grub sich die Nägel in die Handflächen. Wenn sie wirklich glaubte, es sei so einfach, dann könnte sie aufstehen, schreien und gegen die Scheibe schlagen, bis die Wächter kamen, diese bitten, sie zur Echse zu bringen und dann tun, was er von ihr verlangte. Wenn sie das tat, verriet sie Gryf, und alles, was sie erduldet hatten, war vergeblich gewesen. Wenn sie nun eine andere Person ihre Entscheidung treffen ließ, wenn sie, vollkommen selbstvergessen, nicht mehr in der Lage war, selbst zu entscheiden, dann blieben ihr nur noch triviale Gründe für das, was sie getan hatte.
Doch sie waren nicht trivial, sie konnte das nicht glauben, nicht um Gryfs, Jasons oder ihrer selbst willen. Gryf hatte die Kraft besessen zu widerstehen, und um den Preis seiner Freiheit willen war er nach Brückenkopf gekommen; Jason hatte die Kraft gehabt zu überleben, allen widrigen Umständen zum Trotz. Kylis wußte, sie mußte dieselbe Art von Kraft aufbringen, um ihren Verstand und ihre Kontrolle zu bewahren.
Mit dem Handrücken fuhr sie sich über die Augen, legte die rechte Hand auf die Tätowierung ihrer linken Schulter, lehnte sich gegen die Wand und entspannte sich sehr langsam, indem sie sich auf die Wirklichkeit jeder einzelnen Faser ihres Körpers konzentrierte, auf die Berührung des Kunststoffs unter ihr und den Schweißtropfen, der zwischen ihren Brüsten hinabrann.
Ein kühler Luftstrom erreichte ihre Beine, und sie öffnete die Augen. Die Echse stand im Türrahmen und blickte auf sie herunter, ein schwarzer Schatten, umspielt von konzentrischen farbigen Kreisen. Noch nie hatte sie ihn mit einem derart sanften Ausdruck gesehen, doch sie erwiderte sein freundliches Lächeln nicht.
„Hast du dich entschieden?“
Kylis blinzelte, und all die hellen Farben verschwanden und hinterließen eine kräftige, schwarzgekleidete Gestalt. Seine Erscheinung stabilisierte sich, als Kylis völlig in die harte Wirklichkeit Rotsonnes zurückkehrte und ihre Gedanken sammelte, um ihm zu antworten. Ihre Finger waren ineinander verschlungen, und sie legte beide Hände flach auf den Boden.
„Meine Entscheidung hat sich … hat sich nicht geändert.“
Die Echse starrte sie an, sein Gesicht zeigte ungläubiges
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