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Feuerflut

Feuerflut

Titel: Feuerflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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Arm umklammerte. „Oh, ihr Götter.“ Er ließ sie los, wandte sich um und lief zum Wald zurück.
    Während sie die Blutergüsse rieb, die seine Hand hinterlassen hatte, blickte sie sich um. Was Jason gesehen hatte, war die Echse, die sie vom Tor des Wohnbereichs der Wachmannschaft beobachtete. Er stand vollkommen unbeweglich. Kylis drehte sich um und rannte.
    Nur das breite Band der Sterne, das zwischen den Wolken zu sehen war, erhellte ihren Weg, wenn die Farne sich nicht über ihrem Kopf schlössen. Kylis rannte durch die Dunkelheit und machte auch vor Regenpfützen nicht halt. Ihre Füße schmerzten vom Kampf gegen den zähen Schlamm. Plötzlich rammte sie mit der Schulter einen Stamm, und ihre eigene Geschwindigkeit warf sie gegen den nächsten. Heftig nach Atem ringend, blieb sie stehen, die Luft brannte in ihren Lungen.
    Kylis streckte sich und sah sich um, kam langsam wieder zu sich. Die Sterne glitzerten wie Spiegelungen in einem stehenden Gewässer. Nun bewegte sie sich vorsichtiger unter den Farnen. Ihre Füße erzeugten kleine Wellen, das Wasser floß langsam von ihren Stiefeln ab. Erst als sie das Zelt aus toten Farnwedeln erreichte, kam ihr zu Bewußtsein, wie unvorsichtig es gewesen war, nicht auf den Weg zu achten.
    Im Inneren des kühlen Nests legte sie sich nieder und beruhigte sich. Als sie schließlich wieder zu Atem kam, atmete sie langsam und regelmäßig, wobei sie die Herzschläge zählte. Langsam senkte sie die Zahl der Schläge bei jedem Atemzug. Sie dachte an Gryf, der es vorgezogen hatte zu sterben, bevor er sein Leben denen gab, die er haßte. Und sie dachte an Jason, der niemals töten würde, auch nicht aus Rache. Dessen war sie sich sicher. Wenn sie gegangen war, dann würde er endlich in Sicherheit sein. Sie fühlte den Drang zu atmen stärker werden und unterdrückte ihn. Ihr Atem war zum Stillstand gekommen, und ihr Herzschlag würde bald aufhören. Ihre Gedanken verlangsamten sich, ihre Erinnerung wandte sich besseren Zeiten zu. Sie sah sich und Jason wieder vereint, gemeinsam standen sie im heißen Wasser unter dem Strahl des Überlaufrohres, sie küßte ihn. Sie lächelte. Ein hellglänzender Stern blinkte durch eine Lücke in den Farnen. Kylis schloß ihre Augen und verdrängte das letzte Licht.
    Beharrliche Hände schüttelten sie. Undeutlich nahm sie sie wahr, ebenso eine Stimme, die ihren Namen rief. Sie konzentrierte sich stärker auf das Sterben. Eine Faust schlug auf ihre Wangen, und sie atmete unwillkürlich. Jemand hatte sich über sie gebeugt und blies ihr Atem in den Mund, hielt ihr Kinn hoch, preßte den Kopf nach hinten und blies Luft in ihre Lungen. Ihr Herz pochte. Indem sie die Person beiseite stieß, erhob sie sich, ärgerlich und schwach.
    Miria ergriff sie und zwang sie dazu, sich wieder hinzulegen. „Gott sei Dank. Ich habe dich gerade noch rechtzeitig gefunden. Ich konnte dich hören, aber dann warst du plötzlich verschwunden.“
    Kylis antwortete nicht, sondern blinzelte in das Licht, das Miria bei sich trug. Sie versuchte wütend auf sie zu sein, doch es schien zu anstrengend zu sein.
    „Kylis!“ Mirias Stimme kippte panikerfüllt über. „Bist du hier? Kannst du mich hören?“
    „Natürlich bin ich hier“, sagte sie. Sie fühlte sich unsicher. Sie wunderte sich, daß Miria eine so alberne Frage gestellt hatte. „Was meinst du damit, ob ich hier bin?“
    Miria entspannte sich und stellte die Laterne heller. „Ich hatte Angst, ich sei zu spät gekommen.“ Eine häßliche, rosafarbene, frische Wunde verunstaltete ihre Stirn.
    „Verschwinde von hier. Warum konntest du uns nicht allein lassen?“ Kylis wußte, sie würde in der nächsten Zeit nicht in der Lage sein, sich umzubringen; sie hatte zu viel Kraft verbraucht.
    „Gryf geht es gut“, sagte Miria.
    Kylis starrte sie an. „Aber ich sah doch … Woher weißt du das? Du lügst!“ „Es geht ihm gut, Kylis. Ich weiß es. Bitte hab Vertrauen zu mir.“
    „Dir vertrauen! Du hast der Echse von mir und Gryf und Jason erzählt! Zuvor wußte er nicht, wie sehr er uns verletzen konnte! Und nun ist er auch noch hinter Jason her. Ich …“ Sie brach ab.
    „Die Echse wußte, daß ihr zusammen seid, aber ich habe ihm niemals von euren Plänen erzählt. Du wolltest mich in eure Familie aufnehmen. Glaubst du, dein Urteil war so falsch?“
    Kylis seufzte. „Auch mein Vertrauen in das Kind, das mich hierhergebracht hat, war eine Fehlentscheidung.“ Sie unterbrach sich einen Moment, um Atem zu holen.

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