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Feuerflut

Feuerflut

Titel: Feuerflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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legte sein Buch beiseite und holte ihre Rationen sowie frisches Wasser aus dem Spind. Die Früchte, die Kylis gepflückt hatte, waren schon etwas welk, aber sie gab sie dennoch Gryf, der sie schälte. Das Essen war etwas besser und etwas erfreulicher als sonst im Brückenkopf, aber Kylis war nicht hungrig. Sie schämte sich, ihren Freunden von dem Vorfall zu erzählen.
    „Was ist los?“ fragte Jason plötzlich.
    „Wie?“ Kylis betrachtete ihn, dann Gryf. Beide sahen sie besorgt an.
    „Du siehst verstört aus.“
    „Mir fehlt nichts.“ Nachdem sie diese Worte gesprochen hatte, lehnte sie sich zurück, damit ihr Gesicht nicht länger im Licht der Leuchtquelle zu sehen war. „Ich bin müde, glaube ich.“ Sie suchte nach Worten, um die Stille zu durchdringen. „Fast hätte ich vor Müdigkeit vergessen, euch zu sagen, daß wir alle in der Nachtschicht sind.“
    Das war frohe Botschaft genug, um die Aufmerksamkeit ihrer Freunde von ihr abzulenken. Es war sogar Grund genug, sie hochleben zu lassen. Später kehrten sie zu ihrem Versteck im Wald zurück und schliefen, eng aneinandergekuschelt, Gryf in der Mitte. In der Ferne war ein Wetterleuchten, dann Dunkelheit. Nur ein schwacher, ferner Donner erreichte ihre Ohren, doch der Blitz hatte dichte Wolken enthüllt, die vom Wind unaufhaltsam nähergetrieben wurden. Kylis berührte sanft Gryf, schöpfte Beruhigung aus seinen regelmäßigen, tiefen Atemzügen. Erneut erhellte ein Blitz den Himmel, gefolgt von leichtem Donner. Der Wind spielte mit dürren Ästen.
    Gryf streichelte Kylis’ tätowierte Schulter. Er berührte ihre Hand und spielte mit den Fingern.
    „Ich wünsche, du könntest hier raus“, flüsterte sie. „Ich wünsche, du würdest es tun.“ Der Blitz leuchtete erneut, grell und nah, der Donner folgte unverzüglich. Jason wälzte sich im Schlaf. Im flackernden Licht blickte Gryf zu Kylis; er fröstelte.
    Es begann zu regnen.
    Am Morgen erwachte Kylis instinktiv auch ohne das Heulen der Sirene. Sie hatten den ganzen Tag frei, mußten sich aber für die Nachtschicht, die als erste begann, ausruhen.
    Gryf war ebenfalls schon wach. Er lächelte sein gewohntes Es-ist-schon-alles-in-Ordnung-Lächeln.
    „Zeig her“, sagte Kylis.
    Er drehte sich um. Die Striemen waren über ihre ganze Länge hinweg silbergrau, auch dort, wo sie sich überkreuzten. Sie hatten sich nicht entzündet, und die Wunden begannen an den Enden zu verheilen. Gryf streckte sich und blickte über seine Schulter. Kylis schaute ihm ins Gesicht, betrachtete die feinen Linien in seinen Augenwinkeln. Er wich ihrem Blick nicht aus. Biokontrolle war etwas, worin Kylis ausgezeichnet trainiert war, und sie wußte, auch Gryf konnte die menschlichen Leistungsgrenzen nicht ins Unendliche hinausschieben. Doch dieses Mal hatte er Erfolg gehabt.
    „Wieviel besser geht es dir?“ fragte sie.
    Er grinste, und Kylis lachte trotz ihrer eigenen Lage. Sie verdrängte die Gedanken an die Echse. Gemeinsam weckten sie Jason.
    Doch den ganzen Tag über wuchsen ihre Befürchtungen. Sie war sicher, die Echse würde ihre Weigerung nicht einfach akzeptieren. Nun mußte Kylis besonders auf die kleinen Bewegungen in ihren Augenwinkeln achten, zum einen, um sichergehen zu können, daß es keine Halluzinationen waren, und zum anderen, um sich zu versichern, daß es nicht die Echse war. Bis zum Abend war sie voll damit beschäftigt, einen normalen Eindruck zu machen und eine innere Ruhe vorzutäuschen, sie verärgerte Jason und Gryf mit ihren Bemühungen. Doch sie wollte die Gründe dafür nicht nennen. Sie konnte fast genauso starrköpfig sein wie Gryf.
    Kylis war erleichtert, als endlich die Sirene ertönte und sie sich zur Ausgabestelle begeben mußten, um ihre Rationen und die ihnen zustehende Menge an medizinischer Seife zu empfangen. Sie versuchte ärgerlich, mürrisch und unachtsam zu wirken, doch unter all diesen Masken empfand sie Furcht.
    In den bereits länger werdenden Schatten des späten Nachmittags wanderten sie zum Quartier der Wachen. Am höchsten Punkt der Grube hielten sie an und blickten hinunter. Aber es gab keinen Ausweg; sie mußten hinab.
    Die Hitze des vergangenen, arbeitsfreien Tages schien sich im Zentrum Brückenkopfs zu sammeln. Die Hänge der Grube reflektierten die Hitze, das Metall der Maschinen speicherte sie. Temperatur und Lärm vereinigten und vervielfältigten sich.
    Kylis und Jason und Gryf waren sämtlich der Sondenmannschaft zugeteilt worden. Am gegenüberliegenden Ende der Grube

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