Feuerflut
sah Kylis die Echse; ausdruckslose Augen musterten sie. Sie blickte zur Seite. Auch Miria war dieser Schicht zugeteilt worden, doch Kylis konnte sie nicht sehen.
Sie zogen den neuen Bohrkopf hoch und hielten ihn in dieser Höhe; er schwebte über dem Schacht, größer als ein Mensch, schmal und gefährlich. Er erweckte den Eindruck, als erkenne er die Absurdität seiner Benutzung durch schwache menschliche Geschöpfe und wehre sich dagegen. In Brückenkopf war es gar zu leicht, leblosen Objekten Persönlichkeit und Vernichtungswillen zuzuschreiben.
Das Bohrgestänge lag wie ein Kranz großer Blütenblätter um den Schaft des Bohrers und verlief strahlenförmig zu den blasenbedeckten Getrieben der beiden ersten Generatoren. Das Summen von Turbinen jagte über die Grubensohle, die sanfte Vibration durchdrang die Schuhsohlen, wurde weitergegeben an die Haut, Fleisch und Knochen. Für Kylis waren sie Ausdruck der Verärgerung der verwundeten Erde, die nur unwillig die Geheimnisse und Energien ihres Inneren preisgab, und dies doch, hilflos in ihrem Zorn, hinnehmen mußte.
Bei Fertigstellung dieses Schachtes würde die Temperatur an seinem Ende 800 Grad Celsius betragen. Wenn das Bohrteam das Mantelgestein durchbrach und den Druck konstant hielt, war diese Temperatur hoch genug, um das darunterliegende Wasser in überhitzten Dampf zu verwandeln. Es würde genügen, um einen neuen Generator anzutreiben. Es genügte aber auch, sollten sie das Mantelgestein nicht sauber und dicht verschließen, sie alle innerhalb eines Augenblicks zu töten. Sie würden es verschließen, eine Leitung legen und eine luftdichte Kuppel über dem Bohrloch errichten. Dann würden Techniker in schweren Schutzanzügen kommen und die Maschinen aufstellen. Die Gefangenen, zu denen man kein Vertrauen hatte und die man deshalb nicht in die Nähe der Generatoren gelangen ließ, würden ihren Standort wechseln und eine neue Quelle anbohren.
Es war eine saubere Art der Energieerzeugung und eine billige dazu, wenn man sich humanitären Gesichtspunkten verschloß. Aber die Dampf quellen versiegten, und durch die Expansion auf dem Nordkontinent wurde ständig mehr Energie benötigt. Rotsonne verfügte über keinerlei fossile Brennstoffe, über keinen nennenswerten Vorrat an radioaktiven Elementen, und der Himmel war ständig wolkenverhangen, womit auch die Möglichkeit der Energiegewinnung durch Anzapfen der schwachen roten Sonne ausschied.
Gryfs Aufgabe war es, die einzelnen Teile des Gestänges zum Bohrer zu bringen. Einige Vorteile brachte der Wert seiner Person: Die allergefährlichsten Aufgaben blieben ihm erspart. Das Kommando zum Arbeitsbeginn wurde gegeben, und die geflüsterten Unterhaltungen erstarben.
Die Arbeit verwandelte die Gefangenen in willenlose Automaten. Sie war monoton, aber nicht monoton genug. Eine vollkommen stumpfsinnige Aufgabe hätte Gelegenheit zu Tagträumen gegeben, doch die ständige Gegenwart der Gefahr ließ der Phantasie keinen Spielraum. Schweiß strömte in Kylis’ Augen, wenn sie zu sehr beschäftigt war, um ihn wegzuwischen. Die Welt versank um sie herum. Die Nacht verging langsam. Die Echse beobachtete sie aus der Entfernung, nur ein weiterer Schemen unter all den Schatten. In seiner Gegenwart fühlte Kylis sich allein und auf obszöne Art nackt.
Um Mitternacht erlaubte man den Gefangenen eine kleine Verschnaufpause, um etwas zu essen. Gryf kam die Leiter des Kontrollturms herunter. Unten warteten Kylis und Jason auf ihn. Sie saßen beisammen, aßen und lutschten Salztabletten. Die Pause gab ihnen Gelegenheit, vor dem Morgen noch etwas auszuruhen.
Kylis saß halb schlafend auf der Erde, den Rücken an Metall gelehnt, erwartete sie das Klingelzeichen. Der Boden der Grube war naß und schlammig und übersät mit kleinen Steinen und Felsbrocken, deshalb legte sie sich nicht hin. Die Echse war den ganzen Abend hindurch auf Distanz geblieben. Kylis glaubte, er würde es nicht wagen, etwas zu unternehmen, solange sie sich unter so vielen Menschen befand, obgleich keiner etwas gegen ihn unternehmen konnte.
„Steh auf.“
Die Stimme der Echse schreckte sie aus ihrem leichten Schlummer auf. Er und seine Leute hatten ihr die Rücken zugewandt, trennten sie von Gryf, den sie umzingelt hatten. Er erhob sich, sah inmitten der Schatten wie eine Katze mit Schildkrötenpanzer aus.
Die Echse betrachtete zuerst ihn, dann Kylis. „Ergreift ihn“, sagte er zu seinen Leuten.
„Was habt ihr mit ihm vor?“ Ein schriller,
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