Feuerflut
lassen.“ Ihre Stimme war angespannt. „Ich habe euch so viele Schmerzen zugefügt. Ich hoffe, ihr werdet eines Tages alle vereint und glücklich sein und mir dann verzeihen.“
„Miria, ich wünschte …“
Das Dröhnen eines Flugzeugs unterdrückte ihre Worte. Instinktiv sah Kylis nach oben. Während ihres gesamten Aufenthalts in Brückenkopf hatte sie noch niemals ein Flugzeug gehört, geschweige denn gesehen. Der Nordkontinent war zu weit entfernt, und hier gab es keine Landebahnen.
„Ich muß jetzt gehen. Ich hätte Gryf nicht verlassen sollen, doch ich mußte mit dir reden.“ Miria half Kylis, aufzustehen und das Zelt zu verlassen. Kylis akzeptierte die Hilfe dankbar. Sie fühlte sich sehr schwach. Sie wateten durch schimmernde Schatten, weil Mirias Lampe an ihrer Hüfte auf und ab hüpfte.
„Kylis“, sagte Miria bedächtig. „Ich weiß nicht, was weiter geschieht. Ich hoffe, es gelingt mir, Gryf zu befreien. Ich werde auch versuchen, dir zu helfen. Und Jason. Aber die Echse leistet der Regierung gute Dienste. Vielleicht entscheiden sie, daß er im Recht ist und nicht ich. Was auch immer geschieht, es wird seine Zeit beanspruchen, und vielleicht gelingt es mir nicht, irgend etwas auszurichten. Ich möchte dir nicht zu viele Hoffnungen machen.“
„Ich verstehe.“ Jason war noch immer in Gefahr, und auch sie, aber Gryf war in Sicherheit. Für einen Moment konnte Kylis die Angst vergessen und ihrer Freude über sein Überleben freien Lauf lassen.
Sie erreichten die große Lichtung des eingezäunten Geländes und betraten den Pfad, der zu den Unterkünften der Gefangenen führte. Kylis sah das vertikal startende und landende Flugzeug in der Luft hängen. Langsam sank es nach unten, bis es durch die Halden verdeckt wurde. Seine Maschinen kamen langsam zum Stillstand.
„Ich kann dich nicht zu den Zelten bringen“, sagte Miria. „Es tut mir leid.“
„Kann ich nicht mir dir mitkommen, nur um sicher zu sein …?“
„Gryf wird wohl schon an Bord des Flugzeuges sein. Man wird dir nicht erlauben, ihn zu sehen.“
„Na schön“, sagte sie enttäuscht. „Ich kann allein zurückgehen.“
„Bist du sicher? Geht es wieder besser?“
Kylis nickte. „Im Moment schon.“
„Ja …“ Miria trat unentschlossen von einem Bein aufs andere, Kylis ungern allein lassend und ängstlich, zum Flugzeug zu gehen.
„Nun geh schon“, sagte Kylis.
„Ja. Ich muß …“ Sie zögerte noch einen Moment, dann lehnte sie sich rasch vor und küßte Kylis. „Dies ist ein so schrecklicher Ort“, flüsterte sie. „Irgendwie werde ich ihn verändern.“ Abrupt wandte sie sich um und lief davon.
Mirias Silhouette hob sich beim Laufen gegen die Lichter und die Laterne ab. Kylis sah zu, wie sie sich entfernte. Nun endlich konnte sie wieder hoffen. Sie mußte Jason finden und ihm alles erzählen; vor allem, daß Gryf lebte, das Gefängnis verlassen durfte und möglicherweise die volle Freiheit gewann. Dann konnte er mit Jasons Familie Kontakt aufnehmen …
„O Gott“, stöhnte Kylis. „Miria! Miria, warte!“ Vor Erschöpfung strauchelnd, rannte sie zur Siedlung hinunter.
Sie erreichte den Hügel vor dem Zaun gerade, als Miria ihre Handfläche gegen das Schloß preßte. Das Tor öffnete sich.
„Miria!“ schrie Kylis. Sie hatte Angst, Miria, die sich nun innerhalb des umzäunten Geheges befand, würde sie im Lärm der Flugzeugaggregate nicht hören. Sie schrie noch einmal, während sie den Hügel hinabrannte, und dieses Mal drehte Miria sich um.
Sie traf Kylis auf halbem Wege zwischen dem Felsen und dem Zaun und griff nach ihrem Ellbogen, als sie erschöpft nach Atem rang.
„Jasons Familie …“ sagte Kylis. „Auf Rotsonne hält man ihn nur für einen gewöhnlichen Durchreisenden, aber das ist er nicht. Wenn seine Leute wissen, wo er sich befindet, werden sie ihn freikaufen.“ Sie erinnerte sich an den größten Teil von Jasons Familiennamen und nannte ihn Miria. „Kannst du ihnen das mitteilen? Ihnen eine Nachricht zukommen lassen?“
Mirias Augen weiteten sich. „ Das also ist er?“
Kylis nickte.
„Man muß sehr vorsichtig sein, um seine Identität geheimzuhalten, aber das kann ich tun, Kylis, ja.“ Dann zögerte sie. „Aber dann bist du allein …“
„Ich schaffs schon allein. Ich kann auf mich selbst aufpassen, aber ich kann Jason nicht vor der Echse beschützen. Wirst du es tun? Versprichst du es?“
„Ich verspreche es.“
Kylis drückte Mirias Hand einen kurzen Augenblick
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