Feuerflut
sich für die Lokalnachrichten zu interessieren.
Die Volksredner waren wieder da, nachdem es zu regnen aufgehört hatte: Prediger bizarrer Religionen, Anwerber für kleine Hinterwald-Kolonien und Vertreter seltsamer sozialer Ideale. Lais konnte sie allesamt ignorieren, bis auf diejenigen, die gegen sie predigten. Sie fühlte das Alter, das sie umgab: Sie erinnerten sich. Nur wenige hatten sich soviel Haß bewahrt, genug, um auf Mauern herumzustehen und hinauszuschreien, daß die Monstren eine Gefahr und ein Fluch seien. Lais schlich auf der anderen Seite des Weges an ihnen vorbei, als könnten sie ihr ansehen, was sie war. Ihre Stimmen folgten ihr.
Ausgepumpt blieb sie stehen und betrat eine der zahlreichen KommuZellen. Die Tür schloß sich, und es war still. Sie mußte sich ausruhen. Mit dem Geld, das sie sich zusammengeschnorrt und gebettelt hatte, würde sie sich jetzt kein Ticket kaufen können, mit dem sie an den Wachtposten am Port vorbeikommen könnte. Statt dessen nutzte sie es, um damit Leitungen zu den städtischen Computern zu öffnen, die sie mit der Kraft der Maschinen verbanden. Die Verlockung war zu groß, verglichen mit der Verzögerung, die es bedeutete. Das Problem lag so klar in ihren Gedanken, daß die Programme, die gefahren werden mußten, sich praktisch vollentwickelt daraus ergaben. Sie orientierte sich eine Minute lang und belegte dann die Leitungen mit einem Block, damit sie nicht gleich abgetrennt würden, wenn ihr das Geld ausging. So würden sie lange genug stehenbleiben. Sie schob die Datenwürfel, die sie zwei Monate lang mit sich herumgetragen hatte, in die Schächte, und dann vertiefte sie sich in ihre Arbeit, und die Wirklichkeit versank ringsumher.
Später, während sie auf wichtigeren Output wartete, begann Lais, beinahe spielerisch nach wunden Punkten in den städtischen Programmen zu suchen; sie versuchte, eine Möglichkeit zu finden, sich eine selbstlöschende Fluchtroute zu konstruieren. Es gab ausgeklügelte Sicherungen, aber es gab auch verborgene Mängel, die Lais ins Auge sprangen; sie durchbrach die Abwehrvorrichtungen, und die Managerprogramme lagen offen vor ihr und ihren Fähigkeiten. Es war kaum schwieriger, als die Leitungen zu blockieren. In diesem Augenblick hätte sie Störungen in die städtischen Versorgungseinrichtungen einbauen und ihre sämtlichen Programme verwanzen können, ohne daß sie in der Lage sein würden, den Fehler zu finden. Sie sah tausend Möglichkeiten, Störfälle zu verursachen, die nichts als ärgerlich waren; sie konnte die Müllabfuhr in die Irre leiten und Handelsaufzeichnungen vernichten und die Postleitzahlen durcheinanderbringen und den Verkehr umleiten, und es gab tausendmal tausend Möglichkeiten, die Dinge wirklich zum Zusammenbruch zu bringen, eine Gemeinschaft von einer Million Leuten in ruinierte Bewohner einer chaotischen Kriegszone zu verwandeln. Die Entropie war auf ihrer Seite. Aber als die Stadt so verwundbar vor ihr lag, verließ sie plötzlich ihre Vernichtungsgier. Die Tatsache, daß sie es hätte tun können, erschien ausreichend. Sich an den Plastikleuten zu rächen wäre sinnlos gewesen, fast so, wie man mit Mäusen oder Kaninchen oder niederen Primaten experimentierte, mit kleinen, pelzigen, dummen Tieren, die Schmerz und Erniedrigung mit angstvoller Resignation in ihren weitaufgerissenen, tiefgründigen Augen hinnahmen, ohne zu wissen, warum. Die emotionale Isolation, die es ihr vielleicht gestattet hätte, ihr Spiel mit der Stadt zu treiben, war zerschmettert worden durch ihre eigene Erfahrung und Existenz als Labortier, das zwar wußte, aber nicht wirklich verstand, warum.
Sie schlug gegen das Terminal, um die Löcher zu schließen, die sie in die Verteidigung der Stadt gerissen hatte, und berührte es dann sanfter, um ihre Arbeit zu vollenden. Sie verbrauchte eine Stunde Computerzeit in weniger als einer Stunde Realzeit.
Klickernd kamen jetzt die Resultate: erst eine, dann eine zweite Weltökosystem-Karte in leuchtenden Farben, die sich durch das ganze Spektrum zogen, von Violett für Bestimmbares über Blau, Grün und Gelb für hohe bis niedrige Sicherheit bis zu Orange und Rot für theoretische Projektionen. Die Kontrollkarte war hauptsächlich blau mit sehr wenig Rot: sie sah gut aus. Ihre Daten waren nichts als eine Probe von gewöhnlichem Staub gewesen, analysiert bis hinunter zu seinen Isotopen; sie stammte vom Boden der Außenstation, wo Lais gearbeitet hatte, als sie krank wurde. Die Karte zeigte den
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