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Feuerflut

Feuerflut

Titel: Feuerflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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Augenblick zurück. Tränen liefen ihr über die Wangen und berührten salzig ihre Lippen; sie rieb sie mit ihrem rauhen Ärmel fort.
    Sie fühlte sich ein wenig besser. Der Gedanke war ihr gekommen, daß sie sich hohl, entrückt und halluzinatorisch fühlte, weil sie hungrig war und nicht wegen fortschreitender pathologischer Veränderungen in ihrem Hirn; das half ein wenig. Es war etwas anderes, als sich auf das Feedback eines fehlerhaften Instruments zu verlassen. Der Gedanke an Essen war immer noch übelkeiterregend. Es würde um so schwerer sein, etwas zu essen, je länger sie es hinausschob, aber andererseits war es vielleicht überhaupt schon zu spät, und es war nicht mehr wichtig.
    Der Sitzpark brachte sie wieder zu Kräften, und das war auch sein Zweck; für sie waren es die Stille und die Isolation, die kurze Ruhepause nach der Kälte und auch seine sauberen, gewundenen Umrisse – was immer auch die Gründe waren, aus denen andere darauf reagierten. Sie wäre gern geblieben.
    Sie ging eine weite Strecke bis zum Rande des Basars. Ihre Knie taten immer noch weh – sie brauchte ein paar Minuten, um sich zu erinnern, wann und warum sie gefallen war; es schien sehr lange her zu sein –, und ihre Beine begannen jetzt auch zu schmerzen. Wieder mußte sie sich ausruhen; sie setzte sich auf eine Mauer am Rande des Basars, knapp unter dem Gipfel des Hügels, und blickte hinunter auf eine Stadt aus winzigen Lichtpunkten. (Löcher im Boden, durch die man die Hölle sah? Aber die Lichter waren golden und silbern, nicht rot.) Die Lichter zogen sich in Linien an den Bergflanken hinunter, Dendriten von der Zelle der Stadt, deren Nukleus der Landeplatz war. Sie wußte, daß sie aus Highport entkommen konnte. Sie glaubte, sie würde so weit fliehen können, daß sie sie erst fangen würden, wenn es zu spät wäre; sie hoffte, sie würden sie niemals finden, und sie hoffte, daß ihr Körper sie im Stich lassen würde, bevor ihr Verstand es tat, oder daß sie Mut und Geistesgegenwart genug besitzen würde, um sich umzubringen, wenn er es nicht tat oder wenn die Schmerzen sie zu zerbrechen drohten. Im Grunde brauchte sie es nur bis zum Fuße des Berges zu schaffen, an seinen Ausläufern vorbei, bis sie den üppigen Dschungel erreichte, seine große Hitze, ein Klima wie im Brutkasten, wo die Lebensprozesse beschleunigt werden und die Aasfresser umherstreifen, und wo Zerstörung und Verfall schnell und vollständig sind. Der Dschungel würde sich mit ihr verbünden, um dem Institut vorzuenthalten, was für sie das Kostbarste war: Wissen. Sie rutschte von der Mauer herunter und ging den Hügel hinab. Am Himmel vor ihr wich das Mitternachtsblau langsam dem Grau und Scharlachrot der Morgendämmerung.

 
Azteken
     
    Sie gab ihr Herz gern her.
     
    Nach der Operation lebte Laenea Trevelyan durch eine ihr unendlich erscheinende Zeit des Halbbewußtseins, in einem Dämmerzustand, hervorgerufen von den Drogen, die ihr die Schmerzen ersparen sollten, und in diesem Zustand der Fastbewußtlosigkeit begann der Heilungsprozeß. Die Menschen, die sie beobachteten, wußten natürlich nicht, daß sie lieber bei vollem Bewußtsein gewesen wäre, damit diese Ungewißheit endlich vorbei wäre. Sie blieb in einem Dämmerzustand, der mal flacher, mal tiefer war, und trieb auf das Bewußtwerden zu, und in einen Alptraum. Ihr halbbenebeltes Gehirn spürte die Gefahr, konnte aber nichts tun, um sie zu schützen. Sie war zu oft gezwungen worden, durch Gefahren zu schlafen. Die Schmerzen wären ihr lieber gewesen.
    Einmal wäre Laenea beinahe erwacht. Sie sah die sterilweißen Wänden und die Decke, zuerst wie durch einen Zerrspiegel, bis sie allmählich erkannte, was sie sah. Das mattgrüne Licht der Monitorschirme fiel auf ihre Schultern, auf das rauhe Laken. Sie war festgeschnallt, Nadeln steckten in ihren Armvenen. Geräusche drangen an ihr Ohr, und sie hörte den harten Schlag ihres Herzens.
    Sie versuchte zu schreien, vor Angst und Verzweiflung. Ihre linke Hand war schwer, lethargisch, unempfindlich für ihre Befehle, aber sie konnte sie doch bewegen. Wie eine Spinne kroch die Hand zu ihrem rechten Unterarm, fingerte an den Nadeln und Schläuchen.
    Ein kühler Luftzug traf ihr Gesicht, als die Tür geöffnet wurde. Eine sanfte Berührung, eine sanfte, vorwurfsvolle Stimme und verstärkter Fluß des Sedativs drängten sie wieder in den Schlaf zurück.
    Eine Träne quoll aus einem Augenwinkel und rann über die Wange in ihr Haar, als sie wieder

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