Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuerflut

Feuerflut

Titel: Feuerflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
Vom Netzwerk:
worden war, wozu dieses Virus gebraucht wurde und wie gefährlich es war.
    Das drohend aufragende grüne Viruspartikel, in dieser Größe so absurd und obszön wie der vergrößerte Kopf einer Fliege, verblaßte. Der Computer hatte den Block fast durchdrungen. Lais war so lange in Gesellschaft von Maschinen gewesen, daß sie für sie beinahe soviel Persönlichkeit wie richtige Leute besaßen; diese hier rumpelte und grollte, weil sie ihr die Zeit stahl. Schwerfällig wälzte sie sich heran, um ihr Einhalt zu gebieten. Ein Nilpferd, das Krokodil spielte.
    Lais hatte das Virus draußen im Staub ausgegraben, willkürlich und zufällig, und es gab eine Menge davon. Wenn es infektiös war – und es schien vollständig zu sein –, dann konnte es Leute in der Außenstation und in ihrer Umgebung infizieren, nicht sehr viele, aber ein paar, es konnte sich in ihre Chromosomen integrieren und die Effekte der Gen-Reinigung auslöschen. Es mochte zehn oder fünfzehn oder fünfzig Jahre warten, vielleicht für immer, aber wenn eine Verletzung oder Strahlung oder ein Karzinogen es herauskommen ließ, dann würde es anfangen zu töten. Dann würde es zu spät sein, die Leute davon zu befreien, so wie es für Lais zu spät war; die alten, verstümmelnden Methoden, Chirurgie und Bestrahlung, würden vielleicht bei einigen wenigen Leuten wirken, aber wenn die Erkrankung der ihren glich, schnell wachsend und metastasierend, dann würde nichts mehr viel nützen.
    Das Licht auf dem Schirm begann zu verlöschen. Mit schnellen Bewegungen speicherte sie die Kartenprogramme, die Karten, die Blankdaten ein.
    Sie zögerte. In ein paar Augenblicken würde es zu spät sein. Sie spürte, wie die rachsüchtigen Raubtiere ihrer Erinnerung versuchten, sie zurückzuhalten. Wütend hackte sie auf die Tastatur ein und schickte die Kontrolldaten zu den anderen in den Speicher, während die letzten leuchtenden Linien vom Bildschirm verschwanden.
    Jetzt waren die Daten da, und sie konnten sie zur Kenntnis nehmen und fürchten oder sie ignorieren und den Preis dafür zahlen. Soviel würde sie ihnen als Warnung gönnen. Die Normalen mochten womöglich einen Weg finden, Leute zu gen-reinigen, nachdem sie erwachsen waren; vielleicht würden sie sogar Zöglinge auf das Problem ansetzen und sie am Erfolg teilhaben lassen. Lais staunte über ihre eigene Naivität, daß nach allem ein kleiner Teil von ihr immer noch hoffte, daß man ihren Artgenossen am Ende vielleicht doch vergeben würde.
    Sie ließ alles zurück, selbst die Datenwürfel, und trat wieder hinaus in die Allee.
     
    Ein paar Straßen hinter ihr sirrte ein Hovercar; die scharfen Strahlen seiner Suchscheinwerfer strichen über die Ecken und Kanten der Gebäude. Sie beschleunigte ihren Schritt und rannte dann unter Schmerzen an fest verschlossenen Türen vorbei auf eine Skulptur zu, die auch als Sitzpark diente. Sie verkroch sich in der tiefsten, verborgensten Nische, die sie finden konnte. Draußen hörte sie, wie der Sicherheitswagen in die Fußgängerallee einbog. Die Sicks fuhren vorbei, ohne Verdacht zu schöpfen; sie erkannten die Skulptur nicht als Kinderspielplatz, einen Ort, an dem man sich verstecken, auf dem man herumklettern und spielen konnte, einen Ort, an dem Durchreisende bei gutem Wetter übernachten konnten, einen Ort der heute nacht Lais allein gehörte.
    Neben ihrer Schulter befand sich ein kleines Fenster, das durch meterdicken Stein nach draußen ging. Das Mondlicht ließ auf der Wand ein Quadrat aufglänzen, das schmaler wurde, aufwärts kroch und verschwand, als der Mond unterging.
    Lais legte den Kopf auf die Knie und konzentrierte all ihre Aufmerksamkeit auf sich selbst; sie verfolgte die Bahnen der Erschöpfung durch ihre Muskeln, um ihre Kraftreserven zu kalkulieren, und sie sondierte die Abgründe von Schmerz in ihrem Körper und in ihren Gliedern. Sie hatte sich beinahe daran gewöhnt, vom physischen Teil ihrer selbst im Stich gelassen zu werden, aber sie war es immer noch gewohnt, sich auf ihren Verstand zu verlassen. Das winzige Abfallen in ihrer Wachsamkeit war noch zu neu, als daß sie es hätte akzeptieren können. Jetzt, da sie sich zwang, sich ihrer selbst ganz und gar bewußt zu sein, brachten diese Veränderungen sie an den Rand der Panik. Sie schloß die Augen und kämpfte die Angst nieder, sie rang mit einem Gefühl, das wie ein großer grauer Klumpen in ihrem Magen und wie ein kleiner brauner Tausendfüßler in ihrer Kehle steckte. Beide zogen sich für den

Weitere Kostenlose Bücher