Feuerflut
der Explosion irgendwas nicht stimmte. Deshalb habe ich den Sprengstoffexperten von Sigma hinzugezogen. Er gelangte zum gleichen Schluss. Bei einer Explosion, die das Felsgestein zertrümmert und einen Zugang zu einer geothermischen Quelle öffnet, müsste der Explosionsradius eigentlich zehnmal so groß sein.«
Von der Tür war jetzt eine barsche Stimme zu vernehmen. »Das stimmt. Der Wumms war nicht annähernd stark genug.«
Painter wandte sich um. Der neue Bombenexperte von Sigma war anscheinend zu Chins Unterstützung herbeigeeilt. Der Mann lehnte im Türrahmen. Er war noch einen halben Kopf größer als Chin und etwa vierzig Pfund schwerer als sein Kollege, das meiste davon Muskeln. Sein dunkles Haar war kurz geschnitten, trotzdem hatte er sich die Stoppeln mit Gel zurückgekämmt. Er trug den gleichen Overall wie Chin, doch seiner nackten Brust nach zu schließen nichts darunter.
Mit der rechten Hand knetete er eine Art Tonklumpen.
Painters Besorgnis wuchs. »Kowalski, ist das C4-Sprengstoff aus dem Waffenschrank?«
Der Mann zuckte betreten die Schultern. »Ich wollte ihn nur mal testen …«
Painter hatte auf einmal ein flaues Gefühl im Magen. Joe Kowalski hatte bei der Navy gedient und erst vor ein paar Jahren bei Sigma angefangen. Im Unterschied zu den meisten anderen war er eher adoptiert als rekrutiert worden. Zunächst hatte er als Muskelmann gearbeitet und war bei Transporten zum Einsatz gekommen, doch Painter hatte gespürt, dass mehr in ihm steckte und dass sich hinter seinem tapsigen Auftreten ein scharfer Verstand verbarg.
Jedenfalls hoffte er das.
Painter hatte sich seine Akte angeschaut, sich ein Bild von seiner Eignung und seinen Fähigkeiten gemacht und ihn daraufhin dem Arbeitsgebiet zugeteilt, das es ihm erlaubte, seiner Lieblingsbeschäftigung nachzugehen, nämlich Sachen in die Luft zu jagen.
Inzwischen bedauerte Painter seine Entscheidung. »Ich glaube, eine praktische Erprobung ist nicht nötig.« Er tippte auf die aufgeschlagene Akte. »Haben Sie den Bericht gelesen?«
»Flüchtig.«
»Und was meinen Sie?«
»Das war eindeutig kein C4.« Kowalski hob die Hand mit dem Sprengstoff und drückte zu. »Dort ist was anderes hochgegangen.«
»Haben Sie eine Vermutung?«
»Da müsste ich mich erst mal vor Ort umschauen. Proben nehmen. Im Moment fehlen mir Anhaltspunkte.«
Eins musste er Kowalski lassen. Das war eine passable Einschätzung der Situation.
»Also, eine Person kennt die Wahrheit.« Painter lehnte sich zurück und sah auf den Monitor mit dem Standbild der Attentäterin. »Aber erst mal müssen wir sie finden.«
14:22
Wildnis von Utah
Kai versteckte sich in einem Dickicht von Gebirgsweiden am Ufer eines kalten Flusses. Im Knien schöpfte sie klares Wasser und trank. Ihre Angst vor einer Ansteckung mit Giardien oder anderen Darmparasiten stellte sie hintan. Sie war so durstig, dass sie das Risiko eingehen musste.
Als sie ihren Durst gestillt hatte, legte sie die Handflächen auf ihr Gesicht. Die Kälte half ihr, sich zu konzentrieren.
Aber nicht einmal mit geschlossenen Augen bekam sie das Bild aus ihrem Kopf. Als sie aus der Totenhöhle geflohen war, hatte sie sich in dem Moment umgesehen, als es blitzte und krachte. Die Schreie hatten sie in den Wald flüchten lassen.
Warum habe ich den Rucksack abgeworfen?
John Hawkes hatte ihr versichert, C4 wäre sicher. Er hatte gemeint, man könne eine Pistolenkugel in den Sprengstoff hinein abfeuern, ohne dass er hochginge. Was war da schiefgegangen? Als wäre sie noch nicht verängstigt genug, kam ihr ein noch erschreckenderer Gedanke. Hatte vielleicht jemand von WAHYA ihre Flucht aus der Höhle beobachtet und den Sprengstoff per Funk gezündet?
Aber weshalb hätte man das tun sollen, wo doch so viele Leute in der Nähe waren?
Der Plan sah vor, dass niemand zu Schaden kommen sollte.
Bis jetzt hatte sie noch keine Zeit gehabt, darüber nachzudenken. In den vergangenen zwei Stunden war sie kopflos wie ein panisches Reh durch den Wald gerannt. Dabei hatte sie darauf geachtet, dass sie aus der Luft möglichst nicht zu sehen war. Sie hatte einen Helikopter bemerkt, der im Tiefflug über einen Gebirgsgrat hinweggesetzt war. Sie hatte den Eindruck gehabt, die Maschine gehöre eher einer Nachrichtencrew als der Polizei, war aber trotzdem im Dickicht in Deckung gegangen.
Solange es noch hell war, musste sie einen möglichst großen Vorsprung vor den Verfolgern herausholen. Sie konnte sich denken, dass man nach ihr suchte. Ihr
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