Feuerflut
wenig die Beine vertreten«, schlug Alvin vor, womit er seine Altersweisheit unter Beweis stellte. Er deutete zur Veranda, legte den Arm um seine Frau und nickte zum angrenzenden Pueblo hinüber. »Während wir ein gutes Frühstück zaubern, könnt ihr alles Weitere bereden.«
Offenbar wollten sie ihnen Gelegenheit geben, sich unter vier Augen zu unterhalten, doch in Anbetracht der neuen Lage war das unnötig. Gegen ein Frühstück hatte Painter jedoch nichts einzuwenden. Er geleitete Jordan zu der Veranda, die angenehm im Schatten lag. Kowalski war schon da und fläzte sich auf einem Stuhl. Er rollte mit den Augen; offenbar war er von dem vorgeblichen Ältesten ebenso wenig angetan wie Painter.
Kanosh trat mit Kai auf die Veranda. Sein gedrungener Hütehund beschnüffelte das Bein des Neuankömmlings.
Jordan stellte sich abermals vor – als er Kai die Hand schüttelte, kam wieder seine Schüchternheit zum Vorschein. Sie stammelte ebenfalls und sprach ganz leise, dann zog sie sich an den Rand der Veranda zurück und heuchelte Desinteresse. Durch den Vorhang ihres Haares hindurch aber linste sie immer wieder zu Jordan hinüber.
Painter räusperte sich, lehnte sich ans Geländer und musterte die Anwesenden. »Ich nehme an, Sie wissen, weshalb ich Sie gebeten habe, die weite Fahrt auf sich zu nehmen«, sagte er zu Jordan.
»Allerdings. Mein Großvater war ein guter Freund von Jimmy Reed. Was da passiert ist – die Erschießung in der Höhle – ist wirklich tragisch. Ich kannte auch seinen Enkel Charlie. Man hat mich angewiesen, Sie in jeder Beziehung zu unterstützen und Ihre Fragen zu beantworten.«
Das war eine diplomatische Äußerung. Jordans knappe, zurückhaltende Ausdrucksweise deutete darauf hin, dass er seit mindestens zwei Semestern Jura studierte. Der junge Ute würde ihnen helfen, doch in Anbetracht der tragischen Vorfälle in den Bergen war er auch entschlossen, seinen Stamm vor allen unangenehmen Verwicklungen zu schützen.
Painter nickte. »Ich freue mich, dass Sie gekommen sind, aber was wir wirklich gebraucht hätten, wäre jemand wie Jimmy Reed gewesen, der die Tradition hochhält und sich mit der Geschichte der Höhle bestens auskennt.«
Jordan ließ sich nicht aus der Fassung bringen. »Das war uns klar. Als mein Großvater die Nachricht erhielt, nahm er mich beiseite und schickte mich ohne Wissen der anderen hierher. Dem Stamm gegenüber vertritt er die Haltung, er habe Ihre Bitte um Unterstützung abgelehnt.«
Painter musterte den jungen Mann mit neu erwachtem Interesse. Vielleicht war der ganze Aufwand ja doch nicht umsonst.
Jordan ließ Painters Musterung gelassen über sich ergehen. »Nur zwei Älteste wussten überhaupt von der Existenz der Höhle, die auf einer alten Stammeskarte verzeichnet ist. Mein Großvater hat Jimmy Reed von der Höhle erzählt. Und gestern Abend hat mein Großvater mich eingeweiht.«
Ein Anflug von Angst zeigte sich im Blick des jungen Mannes. Er schaute zu den von der Sonne ausgedörrten Felswänden hinüber, als wollte er das Gefühl abschütteln. »Eine verrückte Geschichte …«, murmelte er.
»Geht es dabei um die Mumien und um das, was in der Höhle versteckt wurde?«, half Painter Jordan auf die Sprünge.
Ein widerstrebendes Nicken folgte. »Mein Großvater hat gemeint, die in der Höhle konservierten Toten seien Schamanen gewesen und hätten einem geheimnisvollen fremden Stamm hellhäutiger Menschen mit großen Gaben und großer Macht angehört. Man nannte sie das Volk der Tawtsee’untsaw Pootseev.«
»Volk des Morgensterns«, übersetzte Kanosh. Er wandte sich an Painter. »Dieser Stern geht jeden Morgen im Osten auf.«
Jordan nickte. »Den alten Geschichten zufolge stammte dieses Volk von der Ostseite der Rocky Mountains.«
Painter wechselte einen Blick mit Kanosh. Der Professor war offenbar der Ansicht, dieses Volk wäre von noch weiter her gekommen.
Der Verlorene Stamm Israels … die Nephiten der Mormonen.
»Nachdem sie sich hier angesiedelt hatten«, fuhr Jordan fort, »brachten die Tawtsee’untsaw Pootseev unserem Volk viele Dinge bei und zogen Schamanen der Stämme des Westens an. Die Kunde verbreitete sich und lockte immer mehr Menschen hierher, die einen eigenen neuen Stamm bildeten.«
Die Lamaniten, dachte Painter.
»Die Tawtsee’untsaw Pootseev wurden von allen verehrt, waren aufgrund ihrer Macht aber auch gefürchtet. Über Jahrhunderte hinweg blieben sie weitgehend für sich. Unter unseren Schamanen brach Streit aus, da
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