Feuerflut
sie ihr Wissen zu erweitern suchten, und sie begannen, die Warnungen der Fremden in den Wind zu schlagen. Eines Tages stahl ein Pueblo-Stamm, der weiter im Süden beheimatet war, den Tawtsee’untsaw Pootseev einen wertvollen Schatz. Die Diebe wussten nicht, welche Kräfte in dem Schatz schlummerten, und brachten großes Unheil über ihr Volk, denn die meisten Angehörigen ihres Stammes starben. Die anderen Stämme fielen wutentbrannt über die Überlebenden des Pueblo-Stammes her und machten sie nieder, jeden Mann, jede Frau und jedes Kind, bis alle tot waren.«
»Ein Genozid«, flüsterte Kanosh.
Jordan neigte zustimmend den Kopf. »Dies machte den Tawtsee’untsaw Pootseev Angst. Sie wussten, dass ihr Wissen zu mächtig war und für die Stämme, die untereinander Krieg führten, eine große Versuchung darstellte. Deshalb sammelten sie ihre im Westen verstreuten Stammesangehörigen und versteckten ihre Schätze an heiligen Orten. Viele wurden auf der Flucht getötet, und übrig blieben nur einige versprengte Gruppen, die keine andere Wahl hatten, als sich das Leben zu nehmen, wenn sie ihre Geheimnisse wahren wollten.«
Painter beobachtete Kanosh aus den Augenwinkeln. War das der Krieg zwischen Nephiten und Lamaniten gewesen, wie er im Buch Mormon geschildert wurde?
»Nur einige wenige unserer angesehensten Ältesten erhielten von den Verstecken Kenntnis, in denen angeblich die Geschichte der Tawtsee’untsaw Pootseev auf Goldtafeln verzeichnet ist.«
Kanosh holte tief Luft und wandte sich mit feuchten Augen ab. Waren das Tränen? Endlich hatte er eine Bestätigung für all das bekommen, woran er glaubte – was sein Volk und dessen Platz in der Geschichte und in Gottes Plan betraf.
Painter – der sich seinem eigenen kulturellen Erbe entfremdet hatte – blieb skeptisch. »Gibt es Beweise für diese Geschichte?«
Jordan sah einen Moment auf seine Schuhe nieder, bevor er antwortete. »Das weiß ich nicht, aber mein Großvater sagt, wenn Sie mehr über die Tawtsee’untsaw Pootseev in Erfahrung bringen wollen, sollten Sie den Ort besuchen, wo ihr Untergang seinen Anfang nahm.«
»Was soll das heißen?«, fragte Kowalski mürrisch.
Jordan wandte sich ihm zu. »Mein Großvater weiß, wo die Diebe, die den Schatz gestohlen haben, ihr Schicksal ereilte. Er kennt sogar den Namen des Stammes.« Er blickte in die Runde. »Das waren die Anasazi.«
Painter bemühte sich vergeblich, sich seine Bestürzung nicht anmerken zu lassen. Die Anasazi hatten im Four-Corners-Gebiet der Vereinigten Staaten gelebt, wo vier Bundesstaaten aneinanderstießen, und waren bekannt für ihre weitläufigen Felsbehausungen und ihr geheimnisvolles plötzliches Verschwinden.
Kanosh bedachte Painter mit einem vielsagenden Blick. »In der Sprache der Navajo bedeutet Anasazi › alter Feind‹.« Er erläuterte, was es damit auf sich hatte. »Die Anasazi verschwanden zwischen 1000 und 1100 nach Christus. Die Gründe dafür sind strittig. Es gibt unterschiedliche Erklärungen: eine anhaltende Dürre, blutige Stammeskriege. Archäologen der Universität von Colorado vertreten hingegen die Ansicht, der Stamm sei in einen Religionskrieg verwickelt gewesen, der so heftig gewesen sei wie der zwischen Christen und Muslimen. Angeblich wurden sie von einer neuen Religion scharenweise in den Süden gelockt. Bald darauf starb der ganze Stamm aus.«
Diese Theorie passte zu den alten Geschichten von Jordans Großvater. Painter wandte sich an den jungen Mann. »Sie haben gemeint, Ihr Großvater wisse, wo die Anasazi das Schicksal ereilt hat. Wo genau war das?«
»Wenn Sie eine Karte vom Südwesten haben, speziell von Arizona, zeige ich Ihnen den Ort.«
Sie gingen ins Haus. Nach der Helligkeit draußen war es im Pueblo so dunkel wie in einer Höhle. Kai schaltete mehrere Lampen ein. Painter breitete auf dem Tisch eine Karte des Four-Corners-Gebiets aus.
»Zeigen Sie’s mir«, sagte er.
Jordan legte den Kopf schief und orientierte sich auf der Karte. »Der Ort liegt etwa fünfhundert Kilometer südlich von hier«, sagte er und beugte sich vor. »In der Nähe von Flagstaff. Ah, da ist es ja.«
Er tippte auf die Karte.
Painter las den Namen vor Jordans Fingerspitze ab. »Sunset Crater Nationalpark.«
Das klingt logisch …
»Scheint so, als würden wir von einem Vulkan zum nächsten ziehen«, brummte Kowalski.
Painter begann im Geiste schon mit der Planung.
»Ich komme mit«, sagte Kanosh.
Painter machte Anstalten, ihm zu widersprechen. Er wollte,
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