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Feuerflut

Feuerflut

Titel: Feuerflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Rollins
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anruft …«
    Das war eine lahme Ausrede, doch er enthielt sich einer Bemerkung, sodass es ihr noch schwerer fiel, ihm den Rücken zuzuwenden und ins Haus zu gehen. Sie sah sich über die Schulter nach Jordan um, der sich als Silhouette vor der sonnengleißenden Landschaft abzeichnete. Unwillkürlich verglich sie ihn mit Chay, dessen leidenschaftlicher Aktivismus allzu oft von Peyote, Pilzen oder Gras gedämpft wurde. Jordan kannte sie erst seit einer knappen Stunde, doch sein Stammesstolz, der Respekt, den er seinem Großvater entgegenbrachte, und die Geduld, mit der er Iris’ Belehrungen über sich ergehen ließ, hatten großen Eindruck auf sie gemacht.
    Als spürte er ihre Aufmerksamkeit, wandte er sich zu ihr um. Sie eilte weiter, stieß gegen den Tisch und hätte beinahe ein Tablett mit abkühlenden Pinienkernen heruntergeworfen. Sie ging ins Hinterzimmer weiter, denn sie wollte eine Weile für sich sein.
    In der Dunkelheit des Raums legte sie die Handflächen auf ihre brennenden Wangen. Was ist nur los mit mir?
    Die Stand-by-Leuchte des zugeklappten Notebooks funkelte wie ein grünes Katzenauge. Painter hatte die Verbindung nicht unterbrochen und ihr ein Satellitentelefon dagelassen für den Fall, dass sie mit ihm sprechen wollte. Dafür war sie ihm dankbar.
    Um sich abzulenken, ging sie zum Schreibtisch, setzte sich und klappte das Notebook auf. Sie fürchtete sich davor, eine neue Nachricht von John Hawkes vorzufinden, doch sie musste sich Gewissheit verschaffen. Sie rief ihren E-Mail-Account auf und stellte nach kurzer Wartezeit fest, dass sie keine neuen Mails bekommen hatte. Sie wollte das Notebook schon wieder zuklappen, als ihr Blick auf die gespeicherte Nachricht des WAHYA-Gründers fiel. Mit entschlossener Miene öffnete sie sie ein zweites Mal. Sie wollte sie noch einmal lesen, vielleicht als eine Art Bestrafung oder um sich zu vergewissern, ob der Inhalt wirklich so übel war, wie sie ihn in Erinnerung hatte.
    Beim zweiten Lesen verspürte sie keine solche Verzweiflung wie beim ersten Mal – stattdessen baute sich von Zeile zu Zeile mehr Groll in ihr auf. Bereits verbittert über Painters Zurückweisung, wurde ihr jetzt klar, dass John Hawkes in die gleiche Kerbe schlug. Um sie loszuwerden, sobald sie auch nur den geringsten Ärger machte.
    Nach allem, was ich getan habe … obwohl ich ein solches Risiko eingegangen bin …
    Aus einem Impuls heraus klickte sie auf den Antwort-Button. Sie hatte nicht vor, ihm zu antworten. Sie wollte nur Druck ablassen, es hinter sich bringen. Sie tippte einen langen, zornigen Brief, beteuerte ihre Unschuld und erklärte, sie werde sich auch ohne Hilfe von WAHYA von den Vorwürfen reinwaschen. Diesen Satz unterstrich sie. Das tat ihr gut. Sie beklagte sich über die mangelnde Solidarität der Gruppe, für die sie schon so lange tätig war. Sie zählte alle ihre Verdienste auf. Außerdem ließ sie durchblicken, wie viel WAHYA ihr bedeutete und wie sehr John Hawkes’ Verrat und Misstrauen sie verletzt hatten.
    Als sie die letzten Worte tippte, kamen ihr die Tränen, sodass ihr der Bildschirm vor den Augen verschwamm. Sie wusste, die Tränen stammten tief aus ihrem Innern, von einer Verletzung, die nicht heilen wollte. Sie wollte um ihrer selbst geliebt werden – mit all ihren Vorzügen und Fehlern, ihren Stärken und Schwächen – und nicht weggeworfen werden, sobald sie zur Last wurde. Sie wollte so geliebt werden, wie ihr Vater sie geliebt hatte. Das war ihr gutes Recht. Am liebsten hätte sie es laut herausgeschrien.
    Stattdessen starrte sie den Bildschirm mit der E-Mail an – und tat das Naheliegende. Sie streckte die Hand aus, bewegte den Cursor und hielt den Finger in der Schwebe. Painter hatte gemeint, die Internetverbindung sei gut verschlüsselt.
    Was konnte da schon passieren?
    Unter Missachtung der Vorsicht, die ihr Leben seit jeher bestimmte, klickte sie auf den Senden-Button.
9:18
Salt Lake City, Utah
    Rafe lächelte, als ein Klingelton den Eingang einer neuen Mail meldete. Er sah auf die Uhr. Eigentlich hatte er erst in einigen Stunden damit gerechnet. Es lief ausgezeichnet. Er streckte sich behaglich in seinem flauschigen Hotelbademantel. Sein Haar war noch feucht vom Duschen.
    Er schaute sich in der Präsidentensuite um, welche die oberste Etage des Grand America Hotel im Zentrum von Salt Lake City einnahm. Zum ersten Mal seit seiner Ankunft in Amerika fühlte er sich beinahe zu Hause inmitten all der Annehmlichkeiten europäischer Provenienz: der

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