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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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ausdrücken kann – die Gebrauchsanweisung verloren. Aber die Sehnsucht bleibt. Und gerade an diesem Punkt schalten sich irgendwelche Gurus ein, versprechen ewiges Seelenheil und machen das große Geld.«
    Ich sprach flüssig und mühelos. Die Gedanken formten sich, als sei mein Verstand jetzt eingespielt auf einfache Vorstellungen, während die innere Unruhe wuchs.
    Martin nahm einen Schluck.
    »Allerdings. Wenn man sieht, wie die Leute die Ikonen verehren, ist die Wirkung schon so, wie man sie als ›heilig‹ bezeichnet. Aber man kann sie ebensogut als ›satanisch‹ bezeichnen, ein Aspekt, der sich in aller Logik ja aufdrängt.«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Die Ikonen werden nicht wie Götzen verehrt.«
    Für Martin bestand die Schwierigkeit, daß er, mit dem Zeitalter der alten Menschheit konfrontiert, Hemmungen verspürte. Er wollte nicht einsehen, daß die Kräfte, die bei Anbrach der Welt am Werk waren, auch in ihm selbst etwas hervorriefen. Da steckte er lieber seinen Kopf in den Sand.
    »Du wolltest mir etwas über die Ikonen sagen.«
    »Ikonen sind eine frühe Form der Beseelung von Materie.
    Sie sind wie ein Buch, das die Religion in Bildern erklärt. Ich weiß nicht mehr, wer gesagt hat: Ich bete nicht die Materie an, vielmehr den Schöpfer der Materie, der sich zu meiner Erlösung herabließ, in der stofflichen Welt zu leben.«
    Martin starrte mich an. Meine Antwort hatte ihn überrascht, das sah ich an seinem Gesicht.
    »Wo hast du denn solche Sprüche gelernt? In der Kirche?«
    Ich lachte.
    »So was lernt man nicht in der Kirche!«
    Martin nahm noch einen Schluck.
    »Offen gesagt, ich empfinde die Religion dieser Leute als bedrohlich mystisch und ganz im Banne ritueller Schaumschlägerei.«
    Ich kann nicht hierbleiben, dachte ich. Ich muß weg. Wohin? Ich würde es schon herausfinden. Ein Mensch, der fortmuß, weil es ihn irgendwohin treibt, braucht nur einen kleinen Anstoß als Ausrede. Das Dumme ist nur, ich habe nicht mehr viel Zeit. Ungefähr zwei Stunden. Woher ich das so genau wußte? Ich konnte es nicht sagen. Das Gefühl war einfach da. Ich aß meinen Fisch, bemühte mich um einen sachlichen Ton.
    »Insofern hast du recht, daß im griechisch-orthodoxen Raum die Religion eine andere Bedeutung hat als bei uns.«
    »Sie scheint mit dem Glauben Jesu Christi nicht viel gemein zu haben.«
    Ich wußte nicht, was ich von seinem Tonfall halten sollte. Er gefiel mir nicht.
    »Sie ist älter. Hinter Konstantin und Helena stehen Demeter und Dionysos.«
    »Interessant. Und das Kreuz?«
    »Das Kreuz stellt den Lebensbaum dar, der Himmel und Erde verbindet.«
    »Ein Urbild?«
    »Ein Urbild, ja. Urbilder vermitteln eine Wahrheit: Tod und Leben sind eins. Männer und Frauen sind nur Instrumente der menschlichen Reproduktion. Unsere Eltern sind die Erde und die Toten.«
    Er starrte mich an.
    »Du kennst dich in diesen Dingen aus, ich sehe schon…«
    »Nichts siehst du. Und peinlich ist dir die ganze Sache, weil der Zustand auch auf dich wirkt. Für dich sind Mythen nichts als Schwindel. Aber du hast genau bemerkt, daß im Konaki etwas vorging. Etwas, wovor du Angst hattest…«
    Er hustete befangen; oberhalb des verknoteten Seidentuchs war sein auf-und abhüpfender Adamsapfel zu sehen.
    »Angst? Nein. Es ekelte mich an.«
    »Das ist dasselbe.«
    Der Kellner holte die Teller weg, brachte einen Teller mit Lammfleisch, Bratkartoffeln und Gemüse. Martin goß sich neuen Wein ein.
    »Ich neige dazu, dies alles für blanken Unsinn zu halten.«
    »Wenn du etwas nachgedacht hättest, Martin, dann hättest du dir vorstellen können, daß du etwas Unerwartetem begegnen würdest.«
    »Du meinst… auf okkultem Gebiet?«
    »Wenn du es so nennen willst. Ich nenne es ein Sakrament. Der Tanz der Anastenariden weckt die Erde. Die Götter erwachen, segnen Menschen, Tiere und Pflanzen. Das Leben geht weiter…«
    Er hob das Glas an die Lippen.
    »Und du glaubst das wirklich?«
    »Vielleicht.«
    »Und vielleicht auch nicht.«
    Meine Kehle wurde eng. Ich hatte schon zuviel gesagt. Warum vergeudete ich meine Zeit mit ihm? Und warum war ich noch hier, wo ich längst an einem anderen Ort sein sollte?
    Er stützte beide Ellbogen auf den Tisch, seine Augen blickten mich ganz ungerührt an. Er sagte oft, er könne mich verstehen, obwohl er anders denke als ich. Aber was bedeutete das eigentlich?
    »Du weißt über viele Dinge Bescheid«, sagte er langsam. »Und trotzdem sitzen wir da und tauschen Fragen und Antworten, wie beim

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