Feuerfrau
Geklimper nahm in der Stille eine eigentümliche Deutlichkeit an. Martin saß kerzengerade da. Sein Gesicht hatte jede Farbe verloren, und sein Mund stand leicht offen. Ich nahm die Serviette von den Knien, tupfte mir ruhig die Lippen ab. Dann ergriff ich den Zimmerschlüssel und stand auf. Ohne Eile verließ ich den Speiseraum.
16. KAPITEL
D er Aufzug hielt; die Türen öffneten sich mit leisem Summton. Ich ging durch Licht- und Schattenzonen, an der Zimmertür vorbei. Ich drehte mich um, lief drei Schritte zurück und schloß auf. Im Zimmer war alles dunkel. Ich machte Licht. Ein paar Sekunden lang rührte ich mich nicht; mein Puls flatterte, das Herz schlug mir bis zum Hals. Ich wartete, bis mein Atem wieder gleichmäßig ging.
Ich stopfte meine Sachen in den Rucksack, als draußen Martins Schritte ertönten. Er klopfte an die Tür; ich fuhr unbeirrt fort zu packen.
»Ariana, mach auf!« rief Martin.
Ich gab keine Antwort. Durch den Spalt zwischen Zimmer und Boden drangen sämtliche Geräusche im Gang zu mir herein.
»Ariana, es tut mir leid«, sagte Martin. »Komm, sei vernünftig! Laß uns in Ruhe über die Angelegenheit reden!«
Ich holte mein Waschzeug im Badezimmer, steckte meine Zahnbürste ein. Das Klopfen nahm zu. Der Lärm, noch verstärkt durch die Stille im Gang, wurde immer heftiger. Fußtritte und Fausthiebe prasselten an die Tür.
»Laß mich nicht hier draußen stehen, Ariana! Verdammt noch mal, sonst schlage ich die Tür ein!«
Ich drehte den Schlüssel im Schloß. Martin stolperte herein und prallte fast mit mir zusammen.
»Es gibt nichts mehr zu reden«, sagte ich. »Ich gehe von dir weg.«
»Jetzt? Um diese Zeit?«
Ich zog den Reißverschluß meines Rucksackes zu. Er starrte mich an, fassungslos. Seine Wut war plötzlich abgekühlt.
»Darling, es tut mir leid! Ich habe mich idiotisch benommen Ja, ich gebe es zu, ich war gemein. Ich habe Angst, dich zu verlieren, nur darum, aber jetzt können wir über alles sprechen, und morgen ist alles gut. Wir lieben uns doch noch immer Ariana. Du darfst mir nicht böse sein. Ich kann den griechischen Wein nicht vertragen, ich werde auch keinen mehr trinken. Du und ich, wir müssen jetzt ganz ruhig bleiben.«
»Ich bin ruhig«, sagte ich.
»Findest du es nicht absurd, daß wir uns dauernd streiten?«
»Deswegen gehe ich von dir weg«, sagte ich. »Ich will allein sein.«
Martin fuhr sich mit der Hand durch die Haare, immer wieder. »Nun warte doch! Laß uns über die Sache reden. Ich weiß, ich hatte den dummen Einfall, von… von deinem Freund zu sprechen. Aber ich hatte mir gedacht, daß du es verstehen würdest.«
»Ich gehe nicht deswegen weg«, sagte ich. »Die Sache ist viel komplizierter. Wir sind zu verschieden, Martin. Auch wenn du nicht von Amadeo gesprochen hättest, wäre ich früher oder später gegangen. Ach, lassen wir das!«
Ich nahm meinen Rucksack und wollte an ihm vorbei, aber er packte mich am Arm und hielt mich fest. Ich spürte, wie seine Wut zurückkehrte, diesmal noch stärker.
»Glaubst du, ich merke nicht, wie du um die Dinge herumredest? Wie du mir ausweichst, sobald von diesem Scheißkerl die Rede ist?«
»Laß mich los, Martin.«
»Du mußt doch zugeben, daß ich recht habe? Du weißt genau, wie du mich an der Nase herumführst. Du denkst immer noch, du kriegst alles nach deinen Willen. Ich werde niemals vergessen, wie dieser Scheißkerl mich behandelt hat. Und ich will wissen, was er eigentlich für dich bedeutet.«
Ich holte tief Luft, stellte den Rucksack neben mir auf den Boden…
»Gut, Martin. Laß uns reden. Zwischen Amadeo und mir besteht etwas, was du niemals begreifen wirst. Dinge, die alles andere in den Schatten stellen.«
»Sag nur jetzt, es gibt eine Art fataler Anziehung zwischen dir und ihm.
Wenn du das sagst, lache ich dir ins Gesicht.«
»Dann lach doch. Für dich mag das unvorstellbar sein. Aber das, was zwischen ihm und mir ist, reicht zu weit zurück. Es entstand aus… vielen Dingen. Vielleicht aus gemeinsamen Träumen. Oder auch aus einer Art Besessenheit, nenne es, wie du willst. Dabei gibt es vieles, das uns trennt.
Aber das, was uns verbindet, ist stärker.«
Martin verzog krampfhaft die Lippen.
»Das wäre aber komisch, wenn das wirklich wahr wäre.«
»Was ist schließlich nicht komisch? Weißt du, warum ich mit dir nicht zurechtkomme, Martin? Weil du eine Besitzerrolle spielst. Du willst die Wahrheit wissen? Schön. Hoffentlich erträgst du sie. Amadeo und ich leben nur,
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