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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Mein Körper bewegte sich wie von selbst, tauchte in ein anderes Bewußtsein ein, von der Trance heimgesucht wie die Tanzenden um mich herum, erfüllt von dem gleichen Geist der Abwesenheit, der Verzückung. Wirbelknochen um Wirbelknochen erfaßte es mich; mein Nacken, meine Schultern begannen zu beben, zu vibrieren, sich zu verrenken. Manchmal fielen mir die Augen zu, aber es war kein Schlaf, der meinen Kopf nach vorne warf. Das, was mich jetzt ergriff, war etwas anderes, eine Art Hinabtauchen in einen Bereich, tief in mir, der nur ganz selten die Oberfläche erreichte. »Ach, Ech, Och«, stammelten die Anastenariden. Diese Menschen hier, das wußte ich plötzlich, suchten jenen Platz hinter den Augen, wo das Bewußtsein sich erweitert, wo der Geist eine völlige Kontrolle über den Körper übernimmt – ihn bedeutungslos macht. Und gleichzeitig entstand etwas in mir, das ich nicht unter Kontrolle halten wollte, wie ein emportauchendes Muster, eine Welle, die mich von innen erfaßte. Ein vertrautes Gefühl von früher, eine Art angenehmer Schauer, der durch meinen Körper fuhr, wie in der Liebe, wenn du in mir den Höhepunkt erreichst, Amadeo, und in meinem Leib den Feuerfunken entfachst…
    Eine Hand packte mich am Arm, schüttelte mich, während eine Stimme meinen Namen wiederholte. Ich hörte sie von weither, wie durch Nebelschwaden. Sie störte mich in meiner Konzentration, sie ging mir auf die Nerven.
    »Ariana! Bist du wahnsinnig geworden? Jetzt fängst du auch noch an!
    Ariana! Hörst du mir eigentlich zu?«
    »Ja, und du brauchst nicht so zu schreien.«
    »Herrgott! Man versteht ja sein eigenes Wort nicht!« Die Stimme, die Berührung brachten mich wieder zu Verstand. Ich blinzelte. Martin stand vor mir, mit rotem, aufgelöstem Gesicht. Mir kam in den Sinn, daß ich ihn seit dem Beginn der Zeremonie vollkommen vergessen hatte, und diese Feststellung belustigte mich.
    »Hast du gut fotografieren können?« fragte ich, um irgend etwas zu sagen.
    Er hielt meinen Arm noch fester.
    »Drei Filme. Und ich habe die Schnauze voll. Ich muß hinaus, an die Luft. Ich kann es nicht mehr aushaken.«
    »Was fehlt dir?« fragte ich.
    »Diese Massenhysterie! Und der Gestank! Man wird ja verrückt dabei!«
    Er warf seine Fototasche über die Schulter, bahnte sich einen Weg durch das Gedränge. Ich folgte ihm. Vor dem Haus war die Welt schon dunkel –
    ein Ort der Ruhe. Nur noch die Musik drang gedämpft nach draußen. Wir atmeten in tiefen Zügen den Duft von fruchtbarer Erde, Holzkohle und Jasmin ein. In Gräsern und Büschen zirpten Grillen. Ein goldener Schimmer verblaßte am Horizont, und die ersten Sterne funkelten wie Stecknadeln. Martin wischte sich mit dem Ellbogen über die Stirn. Das verschwitzte Haar klebte an seinen Schläfen.
    »Kaum zu glauben! Eine richtige Voodoo-Zeremonie! Wer hätte das von diesen Bauern gedacht? Die sehen doch alle so solide aus. Wie geht es weiter? Ziehen die sich splitternackt aus und kopulieren auf dem Boden?«
    Seine Stimme war der Hysterie nahe. Es kam vor, daß mich sein Zynismus belustigte, aber heute abend war ich nicht zum Scherzen aufgelegt. Das wunderbare Gefühl der Entrückung, das ich mit den Tanzenden für eine kurze Weile geteilt hatte, war gewichen; ich fühlte mich ernüchtert und enttäuscht wie ein Kind, dem man eine Süßigkeit mit einem Schlag auf die Hand verweigert. Martin war unfähig zu begreifen, was in mir ausgelöst worden war. In seinen Augen war nichts, zu dem ich hätte sprechen können; sie gaben keine Antwort auf meine stummen Gedanken.
    »Unsinn!« Meine Stimme kam mir gereizt vor. »Sie essen zusammen und gehen nach Hause. Um Mitternacht sind alle im Bett.«
    »Und was machen sie dort?«
    Sein Sarkasmus ließ mich kalt.
    »Das Übliche, und nicht eifriger als sonst. Die Bauern müssen früh in den Kuhstall.«
    Martin kniete nieder, schraubte die Objektive behutsam zu und steckte sie in die Fototasche.
    »Ehrlich gesagt, habe ich nicht die geringste Lust, mich von Zwiebeln und Kichererbsen zu ernähren. Und wo sollen wir schlafen? Auf einer unsauberen Matratze? Auf einem Schafsfell? Und dazu noch das Plumpsklo! Nein, danke! Es ist ja noch früh, ich schlage vor, wir fahren ins Hotel zurück. Wir essen gemütlich zu Abend, schlafen in einem sauberen Bett und kommen morgen wieder, rechtzeitig, um das Stieropfer zu sehen.
    Eine höchst unappetitliche Angelegenheit, nehme ich an.«
    Ich rieb mir müde die Augen; ich empfand seine Worte als beleidigend.
    Es

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