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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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gehörte zu seinem Weltbild, daß er tiefere Dinge nicht sah, nicht sehen wollte. Er war blind und taub für das Geheimnisvolle; die Welt war für ihn eine Szenerie, die er nur distanziert betrachtete. Ich jedoch hatte eine Schwelle berührt, und gerade, als ich sie überschreiten wollte, hatte er mich zurückgehalten. Die Erkenntnis löste einen Groll in mir aus, den mein Verstand als ungerechtfertigt empfand. Aber es war nicht zu ändern, und so antwortete ich kühl: »Gut. Ich werde Anghelina sagen, daß du gehst.« Er starrte mich in der Dunkelheit an. »Willst du wirklich hierbleiben?«
    »Ich habe es vor.«
    Ich wandte mich ab, ging zurück in den Raum. Heiße Luft schlug mir entgegen. Die Trommel pulsierte wie ein ständiger Herzschlag, und Lyren webten dazu ihr Netz aus Tönen, eine windgeborene Süße. Die Anastenariden tanzten, ihre kurzen, rauhen Seufzer ausstoßend: »Ach, Ech, Ich.« Ihre Körper schwenkten wie Marionetten an einem Faden. Ich ließ meine Augen über die Tanzenden wandern, auf der Suche nach Anghelina.
    Da sah ich sie plötzlich: Sie bewegte sich langsam im Kreis, die Ikone mit der Muttergottes an sich gepreßt. Ihre Augen waren starr, ihre Pupillen geweitet wie die einer Katze bei Nacht. Die leicht geöffneten Lippen ließen die Zähne sehen. Ich wagte nicht, sie in ihrer Verzückung zu stören. Ich spürte, daß sie weit weg war, weit weg von allem, hoch in die Lüfte getragen, bis zu den Sternen, höher noch und weiter, bis zu jenem Keim der Unendlichkeit, in dem es nichts zu begreifen, sondern alles zu fühlen gab.
    Dort aber war sie allein; meine kühle Vernunft hatte mich eingeholt, hielt mich auf dem Boden der Wirklichkeit zurück. Nonna… wo bist du?
    Langsam taucht ihr Bild durch den Nebel. Als wartete sie, wie ich mich nun verhalten würde, um mir entweder die Hand zu reichen oder wieder einzutauchen in das Land der Schatten und Schemen. Ich bin ganz verwirrt, Nonna. Es ist so neu, so unerwartet. Scusami, non posso! Nicht heute abend. Ich kann es nicht. Ich fühle mich ausgestoßen. Und alles nur wegen Martin.
    Ich kehrte den Tanzenden den Rücken; verließ den Raum, atmete frische Luft ein. Martin hatte sein Fotozeug eingepackt und wartete auf mich.
    »Nun?« fragte er, den Reißverschluß seiner Windjacke hochziehend. Ich schüttelte den Kopf, setzte mich wortlos in Bewegung. Er folgte mir, der dunklen Straße entlang. Das Pochen der Trommel war noch eine Weile zu hören; dann verstummte das Geräusch. Und nur noch die Zirkusmusik wehte über den Platz, von dorther, wo sich das Karussel im flackernden Schimmer drehte.

15. KAPITEL

    D er große Speisesaal mit seinen modernen Lüstern, seinen nüchternen weißen Tischdecken war kahl und ohne Geschmack eingerichtet.
    Stimmgewirr schlug uns entgegen. Schweizer Touristen waren mit dem Reisebus eingetroffen; ältere Menschen, viel zu sommerlich gekleidet, manche schon krebsrot. Wir setzen uns neben ein zugedecktes Klavier, auf dem ein Früchtekorb stand. Martin bestellte sofort eine Weinflasche. Der Kellner brachte Teller, auf dem gegrillte Fische lagen.
    »Ich mag das nicht«, sagte Martin.
    »Dann bestell dir etwas anderes.«
    Ich trennte mit der Gabel die Köpfe der beiden Fische und legte sie auf den Tellerrand. Ich war nervös, ich wußte nicht warum. Meine Gedanken waren verschwommen, zusammenhanglos; dahinter war eine Absicht, die ich nicht ergründen konnte. Ich wußte nur, ich war nicht da, wo ich sein sollte. Es kam sehr selten vor, daß mir unklar war, was ich tun oder lassen sollte. Nach dem, was ich spürte, war ich hier nicht am richtigen Platz.
    Aber wo sollte ich denn sein? Mit den anderen, im »Konaki«? Auch dessen war ich mir nicht ganz sicher. Und dieser innere Drang, ohne Zweck oder klare Richtung, regte mich auf. Es war unangenehm, sprechen und zuhören zu müssen, wenn mich immerzu diese Unruhe beschäftigte.
    »Kannst du mir eigentlich sagen, was los ist?« fragte Martin. »Du bist doch gesund, oder?«
    Ich antwortete geistesabwesend.
    »Bloß müde, sonst nichts.«
    »Ich dachte, dir ist auch schlecht geworden.«
    »Nein.«
    »Das war doch nichts, bei dieser Sekte die Nacht zu verbringen.«
    »Die Anastenariden sind keine Sekte.«
    »Autosuggestion, meinst du? Auf paranormalem Gebiet muß man mißtrauisch sein. Esoterischer Klamauk kann viel Schaden anrichten.«
    Ich nickte.
    »Ich glaube, wir alle haben diese Fähigkeit zu sogenannten
    ›übersinnlichen‹ Dingen. Wir haben nur – wenn ich mich so

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