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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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und Olivenplantagen, an Ginster und Mastixsträuchern vorbei. Eine Frau trieb eine Ziegenherde über eine grüne Wiese. Der Himmel war unwirklich blau; weder Smog noch Rauch verunreinigten die Luft. Manuel fuhr geschickt und sicher. Verstohlen beobachtete ich seine Hände auf dem Lenkrad. Die schmalen, glatten Hände, deren Knöchel unter der Haut spielten, strahlten Beherrschung und Kraft aus. Die Gelenke waren zart und locker wie die einer Frau. Mein Blick streifte sein Profil, die glatte Stirn, die sich zur Schläfe hinziehenden Augen, und ich spürte ein leises Pochen im Unterleib. Er mußte gespürt haben, daß ich ihn beobachtete, denn er wandte mir den Kopf zu.
    »Müde?« fragte er zärtlich.
    Ich lächelte.
    »Genau wie du.«
    Er nahm eine Hand vom Lenkrad, legte sie auf die meine. Seine Hand war warm und trocken. Unsere Finger schlangen sich ineinander. Er preßte meine Hand, legte sie auf die Innenseite seines Schenkels. Ich kratzte mit den Nägeln über den rauhen Stoff seiner Jeans, spürte die federnden Muskeln darunter. Ein merkwürdiges Hochgefühl erfüllte mich, mit einer Woge körperlichen Verlangens. Meine Kehle wurde eng.
    »Ich verstehe nicht, was mit uns los ist«, sagte ich rauh.
    Er erwiderte in ruhigem, gleichmäßigem Ton:
    »Mir scheint, daß wir uns verliebt haben.«
    Ich zog meine Hand weg. Ich wußte, daß ich mich von nun an mit dieser Tatsache befassen mußte.
    Die fernen Berge schimmerten durchsichtig blau, wie wehende Vorhänge. Wir fuhren ein Flußtal entlang; das Wasser glitzerte unter Pappeln und Birken, und der Wind ließ die Blätter wie Silbermünzen funkeln. Bald erschien das Dorf, eingebettet in die weiche, hügelige Landschaft, zwischen Obstgärten und Weinhängen. Die Häuser leuchteten, die Kuppeln der Kapellen schimmerten wie Porzellan, und über den Feldblumen am Weg flogen Amseln.
    In Langada wimmelte es schon von Menschen, Einheimischen und Touristen; Manuel ließ den Wagen neben einem Schuppen stehen. Eine Frau mit schwarzem Kopftuch, die ihr Geschirr auf einem Brett vor dem Küchenfenster gespült hatte, goß das Abwaschwasser in den Vorgarten und nickte uns freundlich zu. Ein Hahn stolzierte herum, wie ein Tänzer auf der Bühne, einige Hühner hatten sich in den Schatten verkrochen, und im Kaninchenstall schnupperten junge Tiere am Gitterdraht. Etwas weiter im Dorf, in den rechtwinkeligen Straßen, herrschte Gedränge. Händler hatten ihre Holzbuden aufgeschlagen. Es roch nach Vanille, warmem Weizenbrot, gegrilltem Fleisch, Olivenöl und nasser Erde, weil alle Straßen gefegt und besprengt worden waren. Über den Hauptplatz dröhnte Musik. Vor den Tavernen standen noch mehr Eisenstühle; die Männer saßen da, alle schwarz gekleidet, wie in Trauer, tranken Retsina oder türkischen Kaffee.
    Ihre Augen folgten Manuel und mir, die Hand in Hand gingen. Er trug den Kopf sehr hoch, sein Gang war elastisch. Er sah um sich, mit seinem ruhigen, arglosen Blick, einem Blick, der sich zu weigern schien, das Schlechte auf Erden zu sehen.
    Gestern mit einem Mann, heute mit einem anderen, dachte ich. Wie würden Stavros und Anghelina mit ihrer ländlichen Sittenstrenge darauf reagieren?
    »Die Griechen haben Selbstironie. Das wird vielleicht helfen. Aber man kann vielleicht nicht alles unbekümmert miteinander vermischen. Würde es dich stören, wenn sie uns schief ansehen?«
    Er lachte mit den Augen.
    »Nein. Mich nicht. Und dich?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Nein. Solche Dinge stören mich nie. Ich will nur andere Menschen nicht beleidigen.«
    »Ich glaube nicht, daß wir das tun«, entgegnete er mit Wärme.
    Die Anastenariden waren bereits beim Tanz. Trommelrhythmus und Gesang schallten aus dem Haus. Im Vorgarten waren Nachbarn, Einheimische, aber auch Neugierige versammelt. Die türkisblauen Fensterläden standen offen. Weihrauch, mit dem Duft von nasser Erde und Geißblattblüten gemischt, hing wie Nebel in der Luft. Irgendwo in der Nähe meckerte eine Ziege. An der Hauswand hatte man die Bänke aufgereiht, mit bunten Kissen, Blumen und Topfpflanzen geschmückt.
    Zwischen zwei großen Kerzen stand ein kupfernes Becken voll Weihwasser. Frauen und Männer tauchten die Hände hinein, bevor sie sich bekreuzigten.
    Plötzlich wankte ein Mann aus der Tür, die Stufen hinab. Die Menge wich ehrfurchtsvoll zurück. Der Mann hielt eine Ikone an sich gedrückt.
    Sein faltiges Gesicht war klebrig von Schweiß, die Augen glänzten und schweiften umher. Er stampfte im Kreis, mit

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