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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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schlagartig zur Seite; dann duckten sich die Schaulustigen hinter der Umzäunung, schützten ihre Gesichter vor den stechenden Hitzewogen. Die Feuerfächer prasselten, das Holz zischte und platzte auf, mit lautem Knall. Unzählbar viele Tröpfchen von Rubinenstaub, zufällig eingefangen, funkelten in den Spiegeln des sich drehenden Karussells. Mit dem Wind wehte die Jahrmarktsmusik über den Platz; die Erinnerung spülte sie in mein Bewußtsein. Die Musik kam von weit her, sie tönte glasklar und fröhlich, die fröhlichste Musik der Welt, die gleichzeitig für mich auch die traurigste war. Sie erzählte eine Geschichte und formte sie zu Bildern, die sich im Dunkel über das Flackerlicht bewegten. Manchmal sah ich sie dicht um mich herum. Ich merkte, wie ich sozusagen tonlos die Andeutung der Melodie pfiff. Dabei überkam mich ein seltsames Gefühl; auch dies war ein Gefühl von früher. Es war, als ob in mir eine Luftblase anschwoll; ich wußte genau, in dieser Luftblase konnte ich meinen Körper verlassen, hoch über ihm schweben, während er irgendwo liegenblieb, unbewohnt. Ein anstrengender Vorgang und gleichsam auch eine sinnliche Wahrnehmung, eine Verzauberung, wie in der Liebe. Ich wußte, daß ich dieser Verzauberung – was auch immer sie war – nicht widerstehen konnte. Aber ich wollte mich nicht gehenlassen, nicht jetzt und nicht hier. Ich mußte bei Verstand bleiben.
    Es dauerte mehrere Stunden, bis alle Holzstöße niederbrannten, zusammensackten, sich in glühende Kohlehaufen verwandelten. Zwei Ärzte
    – belgische Medizinprofessoren und keine Scharlatane, wie die Einheimischen mit Nachdruck betonten – befestigten ein Thermometer an einem Stock und tauchten es in die Glut. Um den Kohlenteppich stand die Hitze wie eine feste Wand. Einer der Forscher rief seinen Kollegen zu, daß die Hitze nun 350 Grad erreichte. Beide Männer wischten sich aufgeregt den Schweiß von der Stirn. Die Fotografen – Profis und Amateure –
    schoben sich mit Ellbogen durch die Menge, suchten den besten Aufnahmewinkel. Ich entdeckte Martin unter den Pressevertretern, auf der anderen Seite der Umzäunung. Ich wußte nicht, ob er uns gesehen hatte, jedenfalls beachtete er uns nicht. Die Sterne, am pechschwarzen Himmel, funkelten wie eine Luftspiegelung der am Boden schwelenden Glut. Immer stärker spürte ich diesen Eindruck, daß ich mich von mir selbst löste; manchmal, in einem jähen Schwindelgefühl, vermeinte ich meinen Körper von außen zu sehen. Dieses Gefühl war nichts Neues. Es lag in meiner Natur, daß ich so empfand. Dennoch, etwas war anders. Aber eigentlich hatte ich keinen besonderen Grund, unruhig zu sein.
    »Wie spät ist es?« fragte ich Manuel.
    Er sah auf die Leuchtziffer seiner Uhr.
    »Halb neun. Ein bißchen früh noch?«
    »Sie werden gleich kommen«, sagte ich.
    Er legte mir den Arm um die Schulter.
    »Du frierst ja.«
    Ich schüttelte lächelnd den Kopf. Wellen heißer Luft bliesen an meine Beine.
    »Nur im Rücken«, sagte ich.
    Er umarmte mich fester. Eng aneinandergeschmiegt standen wir in der Dunkelheit. Sanft und nachdrücklich rieb er seine Hüften an meine.
    Leichte, pulsierende Stiche flackerten in meinem Unterleib, strahlten in die Lenden aus. Ich bewegte den Kopf an seiner Brust hin und her. Er vergrub seinen Mund in meinem Haar; ich stöhnte leise auf.
    Er flüsterte an meinem Ohr:
    »Ich muß bei dir bleiben. Ich weiß nicht, warum. Ich muß es einfach.«
    Ich sagte, kaum hörbar:
    »Ich verstehe mich selbst nicht.«
    Es war jetzt völlige Nacht. Der ganze Platz war schwarz von Zuschauern. Über einer Kuppel leuchtete der Mond, tief und kupfern, und der Nebelstrom der Milchstraße warf eine Brücke von einem Horizont zum anderen. Plötzlich durchlief ein Beben die Zuschauer: In der Ferne vibrierte die Trommel. Der Wind trug das Dröhnen über das Dorf, die Luft wurde zitternd lebendig. Die Musiker waren die ersten, die kamen. Der Trommler lachte mit weißen Zähnen, ließ die »Daouli« zwischen seinen Fingern tanzen. Die Spielmänner schwenkten die Lyren über ihrem Kopf oder hielten sie in der Wiege ihrer Arme. Von ihren flinken Händen geführt, strichen die Bögen über die Saiten, aufflammend wie der Feuerschweif, der einem Kometen folgt. Die Töne schwangen sich empor, hoben sich in die Luft und waren wie aus Gold. Ich fühlte eine seltsame Erschütterung unter den Füßen, wobei ich nicht genau wußte, was für Empfindungen in mir waren, ob Hochspannung oder Müdigkeit; verloren

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