Feuerfrau
stand ich da und fühlte mich irgendwie elend. Manuels Hand war warm, meine eigene schien sich darum zu klammern, in einer Art Reflex, und die Kraft unserer ineinander gepreßten Hände schien auszudrücken, wie nötig der eine dem anderen war. Möglicherweise bildete ich mir das nur ein.
Und wie von der Musik herbeigelockt und geführt, traten die Anastenariden aus dem Ort ihrer Träume, tanzten eine lange Schattenlinie hinunter. Ein Leuchten ging von ihnen aus, daran war kein Zweifel; ein Feuer, das innen brannte und seine Flammen nach außen warf. Sie waren Menschen, die im Licht wandelten, in ihrem eigenen Licht. Eine merkwürdige Leichtigkeit trug ihre Schritte; sie spürten die richtige Erde unter ihren Füßen, sie hörten die Pflanzen wachsen, die Quellen murmeln.
Ihr Tanz war ein Gebet für das Leben dieser Erde. Diese großzügigen Menschen verlangten nichts dafür, nicht einmal Anerkennung. Ich spürte in mir eine unendliche Liebe für sie. Was hier auf dem Spiel stand, war der Sieg der Menschlichkeit über eine materialistische Welt, der Sieg vollkommener Hingabe über Profitgier und Zweckmäßigkeit. Die Anastenariden trotzten dem Argwohn der Kirchen, der Kälte der Wissenschaft, der Skepsis der sogenannten Aufklärung. Ich spürte, wie auch in mir dieser Kampfgeist geweckt wurde. Ich stand am gleichen Ausgangspunkt, fühlte diese ungenannten Kräfte in mir wirken. Nie zuvor, nicht einmal andeutungsweise, war mir zu Bewußtsein gekommen, daß auch ich dieses Erbe in mir trug. Das Erbe der Mystiker, der Schamanen, der Feuerwanderer, die in alten Zeiten den Kampf gegen Haß und Borniertheit verloren hatten.
Gänzlich unerwartet und ohne tieferen Grund überkam mich Furcht.
Von hier ab waren diese Menschen in Gefahr. Sie würden aufglühenden Kohlen wandern und dabei nie das Bild oder die Stärke ihrer Schutzvision verlieren dürfen. Dies bedurfte ungeheurer Konzentration. Wenn sie den Lärm, die Stimmen, die vielen Blitzlichter auch nur für den Bruchteil einer Sekunde von ihrem psychischen Schutzschild trennten, waren sie nicht mehr unverwundbar, konnten verbrannt oder verstümmelt werden. Ich wußte, daß ein Krankenwagen schon in einer Nebenstraße bereitstand.
»Der wartet umsonst«, hatte Anghelina achselzuckend gesagt.
»Wir hatten noch nie einen Unfall. Aber Polizei und Gemeinde bestehen darauf.«
Ich teilte nicht ihre sorglose Unbekümmertheit. Mein Atem ging schnell ein und aus; das Klopfen in meiner Brust hallte in meinem Kopf wider. In diesem seltsamen Schwebezustand fühlte ich, daß Manuel hinter mir stand.
Es war eine Empfindung für sich, die eigentlich nicht viel mit mir zu tun hatte, aber tröstend war.
»Du brauchst keine Angst zu haben. Sie sind glücklich!«
Seine Stimme dicht bei mir klang leise und eindringlich. Ich wandte den Kopf, gezwungenermaßen. In seinen Augen spiegelte sich die Glut, wie zwei rote Pünktchen. Ich flüsterte rauh:
»Wie kommst du darauf, daß ich Angst haben könnte?«
Er überlegte ein paar Atemzüge lang, bevor er ruhig antwortete:
»Ich weiß es nicht. Ich fühle es nur.«
Seufzend, stampfend, alle barfuß, bewegten sich die Anastenariden über den Platz, dem Feuerteppich entgegen. Frauen und Männer und Halbwüchsige, von der gleichen Verzückung getragen. Sie drückten die Ikonen an sich oder hielten sie an den gestreckten Armen hoch. Einige schwenkten die roten Tücher, die Zeichen der Weihe und der Göttlichkeit.
Die Frauen hatten ihre Röcke geschürzt, die Männer ihre Hosenbeine bis über das Knie hochgekrempelt. An der Spitze des Zuges wanderte Stavros und hielt die große Ikone hoch über seinem Kopf, wie man eine Standarte trägt. Sein Gesicht zeigte so viel Begeisterung, so viel Glück, daß die Jahre plötzlich von ihm abgefallen schienen und er das Gesicht des Kindes hatte, das er einst gewesen war. Neben ihm tanzte Anghelina, spielerisch, graziös, wobei sie ihr rotes Tuch durch ihre Hände gleiten ließ. Sie wiederholte diese streichelnde Bewegung bei jedem ihrer kleinen, stampfenden Schritte.
Ihr rundes Gesicht strahlte vor Freude, ihre Ohrringe warfen kleine Funken.
Hinter ihr führte der alte Mann seinen eigentümlichen Kreistanz auf, das entrückte Gesicht himmelaufwärts gekehrt, die Arme locker erhoben; eine gleitende, schwingende Bewegung, wunderschön anzusehen. Die ganze Gruppe folgte, jeder in sich selbst vertieft, hingegeben an die Gegenwart der Vision in seinem Inneren. Alle stießen im gleichen Rhythmus ihre
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