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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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säuerlicher, sinnenaufrührender Geruch nach Holzkohle und Apfelrinde. Immer noch stumm, ließ ich meine Turnschuhe von den Füßen gleiten. Socken trug ich nicht. Ich hörte undeutliche Stimmen, sah Gesichter vor mir, auf dem Dunkel schwebend und von unten erleuchtet; sie schwangen dahin und dorthin, wie Vorhänge im Wind. Ich ließ Bilder und Geräusche ohne Aufmerksamkeit durch meinen Kopf strömen. Ein Mann in Uniform wollte mich zurückhalten, ich schob ihn einfach beiseite, und das schien ihn so zu verblüffen, daß er die Hand von mir ließ. Schon glitt ich zwischen die Schranken hindurch. Die Hitze schlug mir entgegen.
    Vor mir, im Gegenlicht, tanzten die Anastenariden, in Harmonie mit dem Feuer, mit der Nacht, mit ihren Träumen. Jeder tanzte auf seine Weise, ganz nach Wunsch und Augenblick; bei dem einen herrschte Freude vor, bei dem anderen Triumph, bei dem nächsten die Ekstase. Mit jedem Schritt, den ich tat, nahm ich ihr Hochgefühl noch deutlicher wahr, und es erschien mir mit jedem Atemzug zugänglicher. Nichts auf der Welt konnte mich daran hindern, an ihrer Glückseligkeit teilzuhaben. Die Überlegungen der Vorsicht, der Selbsterhaltung waren aufgehoben. Ich war vom Feuer angezogen, wie ein Nachtfalter. Das rote Männerhemd, das ich über meinem T-Shirt trug, war mein Schutz; ich trug es statt einer Ikone, statt eines Tuches; was zählte, war die Kraft, die es mir verlieh. Die Anastenariden mußten ein Ritual einhalten, der ihren Körper stärkte, ihren Geist reinigte. Ich jedoch trat unvorbereitet in ihren Kreis. Instinktiv mußte ich gespürt haben, daß meine weibliche Kraft zu meinem Schutz nicht ausreichte; daß ich dazu noch die männliche Kraft benötigte. Manuels Gelassenheit beruhigte meine Sinne, meine Seele entfaltete ihre Flügel. Ich wanderte der roten Aura entgegen, spürte die Hitze auf meinem Gesicht, sog mit halb geschlossenen Augen den Geruch der Holzkohle ein. »Die Gefahr besteht, daß du verbrannt wirst. Sei nicht leichtsinnig, Ariana! Du bist kein Kind mehr, das die Welt in einem Spiegel sieht. Dir sollte der Unterschied klar sein.« Mein Verstand schreckte zurück, aber mein Geist stürmte voraus, Zack! – es war wie das Einreißen eines Hindernisses. Und dann war ich frei.
    Ich wanderte, ohne Fesseln und Furcht, im Zweifarbenlicht des Feuers und des Mondes. Ich war wie mit einer Nabelschnur mit einem Nebelhof verbunden, der irgendwo flackerte wie der obere Teil einer Kerze, viel größer natürlich und an einem Horizont, der näher lag, als er sollte, und merkwürdig begrenzt schien. Der safranhelle Rand entfaltete sich weiter, und das war ein ganz besonderes Gefühl, daß meine Füße sich dabei auf einem Teppich bewegten, der knirschte. In meiner Wahrnehmung konnte ich nichts Vertrautes mehr erkennen. War ich noch in dieser oder längst in einer anderen Welt? Alles war schön, unbeschreiblich schön, gleichsam überdeutlich und verschwommen. Ich lachte, weil ich so glücklich war.
    Undefinierbare Geräusche erreichten mein Bewußtsein, doch sie waren zu fern, als daß ich ihnen Beachtung geschenkt hätte. Irgendwo pochte eine Trommel, oder war es mein Herz? Die Musik – wenn es eine Musik war –
    schwoll an; irgendwelche Streichinstrumente jetzt, schwebend-tragende Töne. Da waren andere Schatten, die sich bewegten, manche ganz nahe. Sie störten mich nicht. Ich ging fast aufrecht weiter; unter meinen Füßen waren kleine Klumpen, merkwürdig morsch, die meine Zehen eindrückten. Das Zweifarbenlicht hatte sich ausgebreitet, vor meinen Augen bewegte sich etwas; es war ein Flimmern und Drehen wie der Tanz von Funken. Sie bildeten eine Art Reigen, der golden in der Dunkelheit loderte. Eine Weile konnte ich nichts weiter sehen als diesen Feuerring. Allmählich gewannen die tanzenden Flitterstäubchen Form. Neugierig betrachtete ich diese Verwandlung. Im Zentrum bildete sich eine Figur, festigte sich zusehends, kam näher, wurde deutlicher.
    »Nonna?«
    »Si, sono qui!«
    Sie trug das weiße Kleid, in dem sie beerdigt worden war, und ihr silbergraues Haar umwehte ihr Gesicht. Ich sah die kleinen Rüschen, die ihre Ärmel zusammenhielten, und ihre bestickten Pantoffeln aus hellblauer venezianischer Seide. Nur an ihrer leuchtenden Aura merkte ich, daß sie nicht mehr am Leben war. Aber nicht einmal diese Erkenntnis war störend, sondern unvermeidlich. Und genau wie damals streckte ich die Hand nach ihr aus.
    »Nonna, vieni qui!«
    »Vengo, vengo, Piccina!«
    Sie trat näher,

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