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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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mitnehmen?«
    Das kam unerwartet. Ich fragte: »Wann?«
    »Wenn du wegfährst.«
    Ich bemühte mich um einen ruhigen Tonfall.
    »Ich gehe nach Santorin.«
    Er nickte unbekümmert.
    »Porqué no? Eigentlich hatte ich vor, südwärts zu gehen. Rhodos. Die Türkei. Aber ich habe Zeit.«
    Wir sahen einander an. Mein Gaumen war plötzlich trocken.
    »Willst du immer noch?«
    Er hob weich die Schultern.
    »Es scheint doch so.«
    »Trotz alledem, was Martin gesagt hat?«
    Er lehnte wieder den Kopf an meine Knie. Ich konnte nicht sehen, welchen Ausdruck sein Gesicht hatte.
    »Das brauchst du nicht«, sagte er.
    »Was brauche ich nicht?«
    »Dir meinetwegen Sorgen zu machen.« Seine Stimme klang ruhig und gleichmäßig. »Ich habe im Augenblick nichts zu tun. Und ich weiß, daß du einen anderen liebst.«
    Inzwischen war das Dorfzentrum abgesperrt worden. An der Kreuzung, wo die Jahrmarktsbuden standen und das altmodische Karussell sich drehte, hatte man Schranken aufgestellt, dahinter Stühle für die Zuschauer aufgereiht. Männer schleppten auf Schubkarren Holzstöße herbei, die sie kreuzförmig auf dem Asphalt verteilten. Ich wußte von Anghelina, daß nur Eichenholz verwendet wurde. Man hatte es aus einem Wald geholt, längs einer Schlucht, in deren Tiefe, grün von Farnkraut, die heilige Quelle entsprang. Im Laufe des Tages hatten sich immer mehr Schaulustige eingefunden. Wir schoben uns durch das Straßengewühl, quetschten uns an Fotografen und Fernsehleuten vorbei, an Völkerkundlern, Forschern und solchen, die sich dafür hielten; an Touristen; an Buden, wo schafwollene Pullover, bunte Taschen, Teppiche und Decken verkauft wurden, helle und düstere Farben nebeneinander. Die Läden steckten voller Leute, fast alle Einheimischen aßen irgend etwas: Erdnüsse, Mandelmakronen, ölgetränkte, von Sirup triefende »Baklavas«, Fleischspießchen, Sesamgebäck, Pommes-Chips. Bier- und Coladosen wurden mit leichtem Knall geöffnet. Alles roch nach Abgasen, gebrannten Mandeln und siedendem Öl. Und dazu das Hupen, das Geschrei und Gelächter und die Folkloremusik aus sämtlichen Lautsprechern: Theodorakis und Hadjidakis bis zum Überdruß. Der Kontrast zwischen der Abgeschiedenheit des »Konaki« und dem Rummel im Dorfzentrum verwirrte: Hier Mystik, dort die große Show, und beide lieferten Emotionen. Die geschäftstüchtige Gemeinde verkaufte sogar Eintrittskarten. Der Geist des Ortes war der Nützlichkeit geweiht, die Marktschreier standen neben den Göttern, als Ergänzung zu den Sehnsüchten und Atavismen. Die Anastenariden entzogen sich nicht diesem Spiel, denn alles war so, wie es sein mußte. In ihrer Welt hielten sich die Gegensätze mühelos im Gleichgewicht; es gab kein Geheimwissen, daß sie zu hüten hatten. Sie öffneten ihr inneres Auge, bedenkenlos, unpathetisch, fast amüsiert, bejahten rückhaltlos das irdische Dasein und gewannen, von Engelsflügeln getragen, ohne weiteres ihr Paradies. Den Erlös der Veranstaltung stellten sie der Gemeinde zur Verfügung. Sie ließen es zu, daß man sie zu fragwürdigen Experimenten heranzog, daß man sie ausfragte, fotografierte und filmte. Ihr Glaube war ebenso unbefangen wie unerschütterlich, lebendig und greifbar in allen Spielarten des Geistes und der Materie – die Kraft des Lebens selbst. »Im vorigen Jahr«, erzählte ich Manuel, »wollte ein Arzt Anghelina eine Spritze verpassen, um sie schmerzempfindlich zu machen.«
    Er grinste.
    »Sie hat ihm bereitwillig ihren Arm hingehalten.«
    »Richtig. Und ist trotzdem schmerzlos über das Feuer gegangen.«
    Manuel lachte vor sich hin.
    »Was hatte er denn anderes erwartet?«
    Gegen Ende des Nachmittags wurden die Holzstöße pyramidenförmig aufgeschichtet. Bei Sonnenuntergang setzten die Männer unter Stavros’
    Aufsicht das Holz in Brand, indem sie eine angezündete Kerze in jede Pyramide steckten. Manuel und ich lehnten an der Schranke und sahen zu, wie das Feuer die Holzstöße von innen erleuchtete, bevor die Flammen hervorschlugen und der Rauch mit dem süßen Duft von Harz über den Platz zog. Es sah so aus, als ob Riesenblumen ihre Kelche entfalteten.
    Blitzlichter zuckten auf: Die Presseleute fotografierten. Es wurde schnell dunkel. Der Himmel färbte sich purpurn, dann violett, dann saphirblau. Ein kühler Wind bewegte die Luft; an der Art, wie die Feuer hochflackerten, konnte man feststellen, aus welcher Richtung er kam. Funken wirbelten empor. Manchmal drückte ein stärkerer Windstoß die Flammen

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