Feuerfrau
Hunde bellten, Motoren wurden angelassen, Scheinwerfer glitten über die Büsche. Für die Zuschauer war das Fest vorbei. Manuel fragte:
»Seit wann bist du so?«
Ich war auf eine etwas kindliche Weise froh. Mit ihm konnte ich darüber sprechen. Er kam von weit her; er hatte nicht die üblichen Scheuklappen. Und er hielt die Dinge nicht für etwas anderes als das, was sie waren.
»Schon als Kind spielte ich gerne mit Streichhölzern und Kerzen. Ich sprach mit dem Feuer, ich liebte seine Beschaffenheit. Und irgendwann stellte ich fest, daß mir Verbrennungen nichts ausmachten. Meine Eltern wußten von nichts; ich hatte schnell herausgefunden, daß ich mit Erwachsenen nicht darüber reden durfte. Ich war zehn und bei meiner Großmutter in Ferien, als ein Blitz einschlug. Feuer brach los, und ich rettete meiner Großmutter das Leben. Daraufhin kamen alle möglichen Gerüchte in Umlauf. Sogar der Priester mischte sich ein.«
Er lachte still vor sich hin.
»Feuer, Wasser, Erde, Luft. Sämtliche Religionen haben die Elemente verehrt. Menschen dürfen nur auf konventionelle Art damit umgehen.
Priester schätzen es nicht, wenn man ihre Symbolwelt in Unordnung bringt.
Einen Schritt darüber hinaus, und sie sehen die Hölle. Ihre eigene, zumeist.
Sag mal, woher kommt deine Familie?«
»Väterlicherseits aus Norditalien. Die Grenze zur slawischen Welt ist nicht fern. Mein Vater hat unsere Herkunft zwar erforscht, aber ein Teil der Unterlagen ging im Krieg verloren. Fest steht, daß unsere Vorfahren venezianische Seefahrer waren – Korsaren also. Das erklärt manches und nichts. Ich sage dir das nur, damit du nicht denkst, daß ich mich interessant machen will. Im übrigen kennen nur wenige diese Geschichte. Ich gehe mit solchen Dingen vorsichtig um. Sie werden gleich als Zeichen von Aberglauben oder hysterischer Religiosität bewertet.«
Seite an Seite gingen wir durch die Dunkelheit, einen Garten entlang.
Manuel hatte den Arm um mich gelegt. Ich dachte flüchtig an eine andere Nacht, vor langer Zeit; das Phantomgeräusch rauschender Meereswellen füllte meine Ohren. Erinnerungen nahmen Gestalt an. Du bist die Quelle in mir. Kann ich mich von dir abwenden, Amadeo? Nein. Ich bleibe an dich gebunden. Meine Kindheit, meine Erinnerungen klammern sich an dich fest. Aber hier war ein neues Land, ein Land des Atems und des Fühlens, mit schlafenden Wiesen und Hainen im Schein der Milchstraße. Die Bilder schwammen durch meinen Kopf, tauchten in die Dunkelheit ein, irgendwohin. Weg waren sie. Ich lachte kurz auf.
»Ich dachte, du würdest mich abschreckend finden.«
Er lachte auch.
»Nein. Ich finde dich romantisch.«
Ich schüttelte lachend den Kopf.
»Das hat mir noch keiner gesagt.«
»Doch«, sagt er, »romantisch.«
Ich hörte auf zu lachen.
»Ich frage mich nur, was das für dich bedeuten mag.«
»Ich glaube, ich beneide dich. Wir alle tragen den Schlüssel zu zwei Welten in uns. Eine Welt ist uns vertraut, die andere birgt ein Geheimnis.
Du schließt eine Tür auf, die andere zu, und bewohnst nach Wunsch beide Welten.«
»Sind sie nicht in gleichem Maße illusorisch?«
Er drückte den Kopf an meine Schulter.
»Das ist ja gerade das Geheimnis.«
Er hatte eine leise Art zu sein, wühlte nicht in meinem Schweigen herum, belagerte nicht meine inneren Schlupfwinkel, bewegte sich am Rande meiner inneren Welten, ohne sich den Zutritt zu erzwingen. Im tiefen Schatten der Bäume blieben wir stehen und küßten uns. Grillen sangen in den hohen Gräsern. Das Licht der Sterne tropfte aus den Zweigen, blaß wie Silber. Unsere Hände bewegten sich über unsere Körper, drangen zwischen Haut und Stoff vor. Langsam knöpfte ich sein Hemd auf, hakte seinen Gürtel auf, öffnete den Reißverschluß seiner Jeans. Er zog mein T-Shirt über meine Schultern, half mir aus meiner Hose zu steigen, schob behutsam meinen Slip herunter. Wir warfen unsere Kleider ins Gras, um uns auf sie zu legen. Geschmeidig rollte er auf mich, während ich ihn mit Armen und Beinen umschlang. Ich spürte, wie tief er in mich eindrang, mich ausfüllte, bis unsere beiden Körper wie ein einziger im gleichen Rhythmus pulsierten. Wir dufteten wie die Erde, wenn es geregnet hat, wie die reifenden Früchte, wie das wachsende Korn. Den Kopf zurückgeworfen, die Schultern in die Gräser gepreßt, blickte ich durch die fröstelnden Zweige; im Nebel der Milchstraße funkelten die Sterne; und die Erde, selbst ein Stern, schwebte und kreiste im All. Dann
Weitere Kostenlose Bücher