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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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durch Manuel sah, wurde sie zu einem besonderen Bereich, in der die Illusionen als Zwillingsaspekt der Wirklichkeit viele Dinge nicht nur erträglich, sondern liebenswert machte.
    Ja, es wurde eine lange Reise, und gleichsam kurzweilig, auf ungewöhnliche Art. Ein vollbesetztes Flugzeug, Windböen, reizbare Müdigkeit der Passagiere, schreiende Säuglinge und Kinder, die im Mittelgang tobten. Das Übliche, das ich nun anders sah, verwandelt.
    »Lege deinen Kopf an meine Schulter«, sagte Manuel.
    Ich schmiegte mich in die Beuge seines Armes. Die Maschine schwang durch stürmische Wolkenfelder, die Triebwerke surrten. Manuels Herz schlug an meiner Wange; das sanfte Auf- und Abschwellen schenkte mir Frieden; beruhigt schlief ich ein.
    Wir kamen mitten in der Nacht im Olympic Terminal an. Bis zur Abfahrt des Schiffs, auf dem wir eine Kabine gebucht hatten, blieben vier Stunden. Ein Hotel zu beziehen, lohnte sich nicht. Wir blieben in der Ankunftshalle. Manuel saß auf einer Bank; ich hatte meine Schuhe ausgezogen, lag ausgestreckt, den Kopf in seinem Schoß, und döste vor mich hin. Als es hell wurde, ließen wir uns mit einem Taxi zum Piräus fahren. Der Himmel schillerte purpurn, fast lila, und darunter standen die Schiffe wie düstere Gespenster. Es roch nach Kerosin, Teer und Ozean. Die Hafenkneipen waren noch nicht offen, die Docks lagen verlassen da. Auf dem Kai schienen Eisenbahngleise irgendwo ins Leere zu führen. Alles war still, bis auf das Tuckern von Motoren und das ferne Rasseln, Knirschen und Klingen eines Baggers, der Nachtschicht arbeitete. Ein großer Tanker fuhr hinaus, schleppte sich schwerfällig den Kai entlang. Fischerboote waren bereits in See gestochen; sie hoben sich wie dunkle Insekten vor dem glühenden Himmel ab. Ihre Ankerlaternen warfen ein trübseliges Licht, das erlosch, als die Sonne sich mohnblumengleich am Meeresrand entfaltete.
    Mit dem Möwenschwarm, der sich wirbelnd und kreischend in die Luft hob, zerriß auch der Schatten, der den Schmutz und die Verkommenheit der Hafenanlage verhüllte. Fabriken, verwittert und zerfallen, wurden sichtbar; Lagerhäuser, mit Graffiti und zerfetzten Plakaten bedeckt, alte Lastkähne, rostige Teerfässer, Müll. Doch das Licht über all dieser Häßlichkeit leuchtete unschuldig und frisch.
    Wir hatten die Traggestelle abgestellt und saßen auf den Rucksäcken; beide in Jeans, weißen Turnschuhen, Windjacken. Beide erstaunlich ähnlich. Während wir im hellen Sonnenlicht blinzelten, ertönte plötzlich ein leises, drohendes Knurren. Einer der vielen streunenden Hunde, die in Athen in den Müllhalden wühlten, kroch zögernd näher. Der Hund war räudig, sehnig, mit einem schwefelgelben Fell. Sein Blick funkelte gierig und ängstlich. Steine und Fußtritte war er gewöhnt, aber er wußte auch, daß es manchmal dort, wo Menschen waren, Nahrung gab.
    »Sieh nur, wie mager er ist!« sagte ich.
    In meiner Tasche hatte ich noch einen Rest Sandwich. Ich wickelte ihn aus dem Papier und warf ihn dem Hund hin. Das Tier zuckte zusammen, wich knurrend und mit bleckenden Zähnen zurück.
    »Er hat Angst.«
    Manuel suchte einen Augenblick in der handgewebten Tasche mit dem schwarz-blauen indianischen Muster, die über seiner Schulter hing. Er brachte ein schmales, unscheinbares Etui zum Vorschein. Belustigt sah ich zu, wie er aus dem Etui eine Flöte zog, mit bunten Spiegelchen verziert. Sie war kleiner als die üblichen Flöten, und das Holz schien alt.
    Ich mußte lachen.
    »Willst du die Bestie mit Musik besänftigen?«
    Er blinzelte mir zu.
    »Du wirst schon sehen. Warte nur!«
    Ich schaute aufsein Gesicht, auf die weichen Lippen, die das Mundstück umschlossen. Die schlanken braunen Finger wanderten über die Flöte und entlockten ihr einen seltsamen Klang. Der erste Ton war kurz und deutlich, doch ohne Schärfe, als wollte er sagen: »Hör mir zu!« Die Ohren des Hundes richteten sich auf, sein Blick wurde aufmerksam.
    Manuel spielte weiter, sanfter und melodischer, wiegte dabei den Oberkörper ganz leicht im Rhythmus der Musik. Er holte die Luft ganz tief aus dem Bauch, während seine Augen lächelten, als er mich anschaute, und dann wieder den Hund betrachteten, der jetzt den Kopf schräg legte, die Ohren spielen ließ. Langsam richtete das Tier sich auf, wurde ruhiger.
    »Komm… komm!« schien der zärtlich lockende Flötenton zu rufen.
    Wie von einem unsichtbaren Faden gezogen, kroch der Hund näher. Ich hielt den Atem an. Nur noch ein kaum

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