Feuerfrau
verlöschten alle Sterne, die Welt ging unter. Der Augenblick äußerster Seligkeit, wenn eine extreme Anstrengung den Körper spannt: Das ist der wahre Ursprung des Lebens, die Rückkehr zum Ausgangspunkt, Tod und Wiedergeburt.
Die Stille war ein einziger Trost für Körper und Seele. Eine Weile blieb Manuel erschöpft auf mir liegen. Wie eine Decke, dachte ich, wie eine warme, lebendige Decke. Ich rollte mich unter ihm zusammen, zog die Beine hoch. So verharrten wir, stumm wie nach einem Schwächeanfall, mit flackerndem Atem. Wir hörten das Knistern der Gräser, das Flüstern des Windes und das erste, noch unsichere Zwitschern, mit dem ein unsichtbarer Vogel das Nahen des Morgens verkündete. Schließlich richtete Manuel sich auf; schweigend hob er mich in seinen Armen hoch, wir sahen uns in die Augen. Der Genuß hinterläßt Spuren im Gesicht; er formt die Züge weich, macht die Augen glänzend. Im Schimmer der Sterne konnte er sehen, wie meine Lider zitterten. Als er mein Gesicht in beide Hände nahm, schloß ich die Augen, so daß ich nur seinen Kuß spürte, seinem Blick jedoch auswich.
Er hielt mich seltsam zart, und die Türen zu meinen beiden Welten fielen leise zu. Die stumme, rätselhafte Kraft in ihm erfüllte mich mit Verwirrung.
Unter den Strähnen seiner Haare berührte seine Zungenspitze meinen Mund. Dann nahm er meine Hand und legte sie auf seine Brust. Ich hörte sein Herz laut und stürmisch schlagen. Deutlicher als Worte sagte mir dieses Herzklopfen: »Ich brauche dich. Verlaß mich nicht!« Nur eine dünne Wand war zwischen unseren Gefühlen: unsere Haut. Jetzt schmolz sie, wir sahen unsere innere Wahrheit, die nackten Seelen. Da gab es keine Lüge, die uns verwirrt hätte. Der Schmerz traf mich unvorbereitet. Für ein paar Augenblicke flirrte Panik durch mein Hirn. Ich brauchte ihn ebenso wie er mich, vielleicht noch mehr. Ich brauchte seine Gelassenheit, die Zärtlichkeit auf seinem Gesicht, die ein halbes Lächeln begleitet, seine Augen, die durch die Dinge sahen. Ich wollte ihn küssen; über seinen warmen Bauch streichen, seine Hüften liebkosen und seine federnden Schenkel. Als ob ich zum ersten Mal liebte. Als ob ich noch niemals geliebt hätte.
Ich? Habe ich jemals einen Moment ohne Liebe gelebt? Du bist bei mir, seit Jahren, Amadeo. Du lebst in meinen Augen, in meiner Erinnerung, in meinem Blut. Ich hoffe, du verachtest mich nicht. Sieh nur, wie wohl ich mich fühle, wie die Berührung seiner Lippen auf meinem Mund mich erregt, wie ich vor Lust bebe, wenn mein Körper unter seinen Händen erwacht. Sieh nur, wie ich dich betrüge…
Doch das Ende wird kommen, zwangsläufig, sonst gerät meine Welt aus den Fugen. Ich werde unerträglich für ihn und für mich, weil ich die Ausweglosigkeit dessen, was jetzt entsteht, ahne. Ja, noch schlimmer: Ich weiß, daß ich gefesselt bin, an deinen und an seinen Körper. Und jetzt bin ich so zerrissen, so aufgewühlt, daß ich keinen festen Willen mehr aufbringe. Ich, die dich mit jedem Herzschlag neu erfindet, habe diesen Mann unter den Apfelbäumen geliebt, genau wie ich dich stets in meinen Träumen umarme. Ich habe einen entsetzlichen Fehler gemacht. Und aus Angst vor dieser Gewißheit fliehe ich tiefer in mich hinein, suche die Schlupfwinkel jener verwunschenen Welt, deren Mauern ich mit eigenen Händen errichtet habe. Den Schlüssel gebe ich in seine Obhut. Doch er hämmert nicht mit der Faust an die Tür und wartet auch nicht voller Ungeduld, die Hand auf der Klinke. Er setzt sich ruhig davor und träumt.
22. KAPITEL
D ie Reise nach Santorin. Sie begann damit, daß Manuel seinen Wagen an einen Matrosen für einen lächerlichen Preis loswurde. Zwei Abende später flogen wir mit einer Maschine der Olympic Airways nach Athen.
Von Piräus aus ging es dann weiter mit dem Schiff. Ich war mit Martin gereist, hatte seine schlechte Laune ertragen müssen, wenn etwas nicht wie am Schnürchen lief. In Griechenland gibt es keine Pünktlichkeit – im Bereich des Flugverkehrs schon gar nicht –, aber Manuel zeigte keine Gereiztheit, ertrank seinen Unmut auch nicht im Brandy. Verspätungen und stundenlanges Warten, sagte er, sei er von Mexiko gewöhnt. Gelassen und unbeschwert betrachtete er die Menschen um sich herum, lächelte den Kindern zu oder scherzte mit ihnen. Es gehörte zu meiner Natur, daß ich gut beobachtete; Menschen überzeugten mich weniger durch Worte als durch Taten. Ich war immer auf Entdeckung aus gewesen; jetzt, wo ich die Welt
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