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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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wahrnehmbarer Ton war jetzt zu hören, eine verzauberte Melodie, wie aus Luft und Sonne geboren.
    Fasziniert sah ich zu, wie der Hund immer näher herangeschlichen war, bis er vor dem Stück Brot stand. Dort hielt er plötzlich an, senkte den Kopf und schnupperte. Mit einem einzigen Biß schnappte er das Brot, schlug einen Haken und jagte davon, in lautlosen Sprüngen. Von seinem Schatten verfolgt, verschwand er hinter Teerfässern und rostigen Eisenbalken.
    Manuel brach in Lachen aus; seine hübschen weißen Zähne blitzten.
    »Siehst du, das ist das Geheimnis der Chimiria!«
    »Diese Flöte, heißt sie so?«
    Er nickte, schob das Instrument behutsam in sein Etui zurück. »Mein Großvater gab sie mir, bevor ich nach Europa ging. Ihr Klang verscheucht die bösen Geister. Ich bin eben Mexikaner. Ich glaube an diese Dinge.«
    Ich lächelte.
    »Im Ernst?«
    »Ja, durchaus. Alles Böse ist eine Krankheit, und die Musik heilt sie.
    Das spüren auch die Tiere.«
    Ich setzte mir die Sonnenbrille auf und sah auf das Meer.
    »Der Mann, von dem ich dir erzählt habe, denkt auch so. Es macht ihm nichts aus, einen Menschen zu verprügeln. Aber ich habe erlebt, wie er in einem Busch einen verletzten Vogel fand. Er barg ihn in der Hand, sprach zu ihm und wärmte ihn mit seinem Atem, bis er starb. Dann grub er für den Vogel ein kleines Loch. Er häufte Erde auf das winzige Grab und streute als letzte Gabe einige Körner darauf.«
    Er schwieg. Ich schluckte würgend.
    »Du erinnerst mich an ihn… sehr stark.«
    »Sehe ich ihm ähnlich?« fragte er sanft.
    »Nein, ihr seid vollkommen verschieden, das ist es nicht. Es ist etwas in deinen Augen, wenn ich in dein Gesicht sehe, von ganz nahe. Ja, das muß es wohl sein…«
    Er lächelte mit großer Zärtlichkeit.
    » Quien sábe? Vielleicht werden wir uns einmal begegnen?«
    »Ach«, rief ich lebhaft, »glaubst du an solche Zufälle?«
    Er schüttelte ruhig den Kopf.
    »Für mich ist jeder Zufall das Glied einer Kette, die das Schicksal für uns formt.«
    Er ließ die Flöte wieder in seiner Tasche verschwinden, und an diesem Tag sprachen wir nicht mehr davon. Die durchwachte Nacht hatte uns träge gemacht. Unsere Augen waren gerötet und brannten, der Seewind machte unsere Lippen spröde, und wir hatten ein starkes Verlangen nach Kaffee.
    Wir tranken ihn aus Plastikbechern in der Schiffsbar, inmitten verschlafener Touristen. Dazu aßen wir mit Schokolade marmoriertes Halva-Gebäck, das nicht mehr ganz frisch war. Um halb sieben wurde der Anker gelichtet. Wir stellten uns an die Reling. Lautlos und schnell glitt das Schiff aus dem Hafenbecken. Über den Hügeln von Athen, mit ihren weißen Häuserwürfeln, lag schon der berüchtigte Smog. Das Meer war ruhig, dunkler als der Himmel; schon spürten wir die Dünung. Fahrtwind kam auf, die Küste verlor sich im Dunst, wie der Schatten eines unruhigen Traumes. Über den ziehenden Wellen funkelte nur noch reiner, blauer Himmel. Die Touristen rekelten sich an Deck, zogen ihre Pullover aus; die Sonne brannte ihre Haut braun oder krebsrot. Bald erreichte das Schiff seine volle Geschwindigkeit. Vor uns lag eine lange Zeit; wir würden erst morgen, in der Frühe, im Hafen von Thera einlaufen. Manuel und ich waren beide müde und gähnten.
    »Wollen wir ein wenig schlafen?« schlug ich vor.
    Die Kabine verfügte über zwei schmale Kojen mit Decken; sie dienten gleichzeitig als Sitzgelegenheit; darunter befanden sich Schubladen. Der Wandtisch ließ sich zurückklappen. Das Holz war hell angestrichen, so daß die kleine Kabine freundlich wirkte. Das Bullauge blickte aufs Meer. Eine schmale Eisentür führte in ein winziges Badezimmer, dessen Ausstattung einer Flugzeugtoilette ähnelte, mit dem Unterschied, daß eine Dusche eingebaut war und Handtücher und Seife vorhanden waren. Der Spiegel war blind. Unsere Kleider rochen nach Holzkohle und Kerosin. Wir zogen uns aus und gingen unter die Brause. Das Wasser kam erst rostig, dann lief es klar. Wir legten uns jeder in eine Koje, vernahmen das Vibrieren der Schiffsschraube und das Gurgeln des Meeres an der Bordwand. Nachdem wir uns einige Male Knöchel und Kopf gestoßen hatten, schafften wir es und lagen zwischen den ausgebleichten, muffig riechenden Laken.
    »Es ist ganz bequem, nicht wahr?« hörte ich Manuel sagen, und wir lachten beide. Das Schaukeln des Schiffes wirkte einschläfernd. Trotz weher Ellbogen und schmerzender Nacken schlummerten wir einige Stunden. Die Sonne stand hoch, als wir auf

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