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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Gedanken sprach ich seinen Namen aus: Quasimodo!
    »Er ist jung und ungestüm, aber du darfst ihm nicht mißtrauen«, hattest du mich damals gewarnt, als du mir das erste Mal beim Aufsitzen halfst.
    »Siehst du einen Freund in ihm, wird er dir gehorchen. Aber sobald er spürt, daß du Angst hast, kann er gefährlich werden. Treib ihn ganz leicht an! Du mußt dich ihm überlassen, seinen Rhythmus spüren. Mit deinem Gesäß, mit den Beinen und mit dem Herzen.«
    Ja, Quasimodo war hochmütig und wild. Mir hatte er sein rauhes, stolzes Herz geschenkt. Er hatte mich beschützt, bewacht und gewiegt, die Schläge seiner Hufe mit dem Beben meines Blutes in Gleichklang gebracht.
    Wie alt war das Tier nun? Ich wollte die Jahre nicht zählen. Und jetzt stand er vor mir, der große Rappe, mächtig, unvergleichlich, unzerstörbar. Und der Reiter, mit seinem Tier zu einem wunderbaren Standbild verschmolzen, hielt sich ebenso aufrecht wie die hohe Lanze, die er mit kurzem Ruck in das Wasser aufgepflanzt hatte.
    Amadeo trug ein arabisches Hosengewand – ein Serouel – schwarz, fließend, ohne ein Ornament. Sein nackter Oberkörper glänzte, wie mit Öl eingerieben. Die kupfernen Steigbügel hingen tief herab, nach asiatischer Art, so daß die Beine nicht angewinkelt, sondern zu beiden Seiten fast gerade herunterhingen. Es war, als ob er stand, das Pferd zwischen seinen Schenkeln. Er hielt die Augen halb geschlossen, eine lauschende Ruhe lag auf seinem Gesicht. Nach ein paar Atemzügen zog er den Speer enger an seine Flanke. Die Bewegung ließ ihn den Oberkörper und den Hals leicht einwärts biegen; unter der dunklen Haut traten die langen feinen Muskeln hervor und auf seiner Schulter schien die Lilie zu atmen. Auf einmal warf er diese Schulter zurück, hob den Arm in der anmutigen, kraftvollen Gebärde der Speerwerfer. Der lange Schaft aus funkelndem Metall mit der dünnen Spitze nahm seinen Flug. Und in der gleichen Sekunde, als das Eisen sich mit dumpfem Prall in die Zielscheibe bohrte, flammten die Scheinwerfer auf. Die Musiker hatten schon ihre Plätze auf einer Estrade eingenommen. Es waren Inder, mit schneeweißen Turbanen und Gewändern. Sie saßen mit gekreuzten Beinen auf Teppichen. Ihre Gesichter glänzten wie Sandelholz. Die Gruppe bestand aus einem Sänger und vier Instrumentalisten. Der Sänger, groß und wohlbeleibt, hatte pechschwarze Augen, einen wundervoll flockigen Bart. Rechts und links von ihm saßen die Musikanten. Zwei spielten Flöte; ein Mann hielt eine Sitar auf den Knien, eine Art Gitarre mit sechs Stahlsaiten, einem langen Griff und einem Resonanzkörper, der aus zwei lackierten Kürbishälften bestand. Ein jugendlicher Trommler, der zu Füßen des Sängers kauerte, warf zur Begrüßung sein Instrument in die Luft, wo es sich zweimal drehte, und fing es geschickt wieder auf. Der Sänger suchte eine bequeme Stellung, zupfte die Falten seines Gewandes zurecht. Dann verneigte er sich vor dem Publikum, die Hände zum indischen Gruß gefaltet und sang rauh und klangvoll den ersten Ton. Die Trommel, die an beiden Enden mit den Fingern geschlagen wurde, folgte dem Takt.
    Während er spielte, hob der Musiker die Trommel abwechselnd über seinen Kopf, warf sie über die Schulter, hielt sie an sein Ohr oder an seine Lippen, als ob er ihr Worte zuflüsterte. Nun setzten auch die Flöten ein, wispernd und raschelnd wie der Wind im Schilf, und die Sitar sandte ihre glockenklaren Töne durch das Zelt. Und wie vorangetragen von der Musik, doch nur seinem eigenen Rhythmus folgend, setzte sich der Rappen in Bewegung. Er stieg aus dem Wasser; Tropfen glitzerten auf seinem Fell, während er durch die Manege trabte. Zuerst langsam, dann schneller. Als Quasimodo eine gewisse Geschwindigkeit erreicht hatte, ließ Amadeo die Zügel locker. Er beugte sich weit über den Hals des Pferdes, breitete die Arme aus, als ob er den Raum umarmen wollte. Der Wind des Galopps bewegte den leichten Stoff seines Gewandes, so daß er wie ein bronzener Vogel wirkte, der, von seinem Spiegelbild verfolgt, der Ewigkeit entgegenflog.
    Amadeos Gesicht war entrückt, die Lippen leicht geöffnet; seine in die Ferne gerichteten Augen sahen alles und nichts. Er schien sich nie aus dem Sattel zu heben, auch nicht, wenn das Pferd im Galopp ging; er ritt wie auf einem ungesattelten Tier. Es lag eine hypnotische Verzückung im Anblick dieses kreisenden Reiters, doch ganz plötzlich – als eine Art Trance das Publikum zu lahmen schien – machte

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