Feuerfrau
und die Studioaufnahmen organisierte, mit Agenten verhandelte, Honorare einkassierte und Rechnungen zahlte. Jorge, mit seinem dunkelgewellten Haar, seinem versonnenen Lächeln und seinem arglosen Blick; ein Blick, der sich weigerte, das Schlechte auf Erden wahrzunehmen.
Jorge, der wenig sprach, aber aus sicherem Instinkt heraus immer das Richtige tat oder sagte.
Das Zelt war auf einem großen freien Platz, unweit des Kanals, aufgebaut worden. Noch sahen wir es nicht. Durch die starken Regenfälle war das Wasser gestiegen; das Plätschern und Rauschen erfüllte die Luft.
Das scheußliche Wetter und der abgelegene Standort hatten das Publikum nicht abgeschreckt. Zahlreiche Wagen parkten bereits auf einem Feld, in Schlamm und Pfützen. Schirme wurden aufgespannt, Frauen stapften lachend und kreischend durch den Dreck. Das Feld wurde von Polizisten bewacht, trotzdem mußte man gefaßt sein, seinen Wagen entweder ausgeplündert oder überhaupt nicht mehr wiederzufinden. Hier war die Welt der Taschendiebe, der arbeitslosen Halbwüchsigen, der Drogensüchtigen. Erfahrene Besucher ließen Schmuck und teure Klamotten zu Hause, zogen sich schlicht und zweckmäßig an: Gummistiefel, dicke Mäntel, Designerjeans. Man kam mit wollüstigem Schaudern, weil Berichte über Amadeo in Zeitschriften und Zeitungen erschienen, weil das Fernsehen eine Sendung über ihn gebracht hatte und es in den Pariser Salons zum guten Ton gehörte, »dabeigewesen zu sein«.
Wir stiegen aus, schlossen die Wagen ab. Kein Gegenstand lag sichtbar, den zu rauben sich gelohnt hätte. Blinzelnd stapften wir durch den Regen.
Alles war in Nebel gehüllt. Als einziger Anhaltspunkt schimmerte ein fahles Licht, irgendwo in der Ferne. Jorge führte Eleni, die unter ihrem Schirm stolperte, warnte sie vor den Pfützen. Martin schob seinen Arm unter den meinen.
»Was für eine Feuchtigkeit! Wo ist denn das verdammte Zelt?«
»Dort!« Jorge streckte die Hand aus. Das Licht kam näher, fiel auf geheimnisvolle Weise aus dem Nichts herab. Schwache, weiße Strahlen formten sich zu einer Aura. Als der Wind für einige Sekunden den Nebel teilte, flimmerte der Lichtkegel wie ein diffuses Traumbild, hoch über unseren Köpfen; der Umriß leuchtete wie ein schattenhafter Bogen, eine Brücke zwischen Himmel und Erde. Allmählich nahm dieser Umriß feste Konturen und Formen an, wurde zu einem Zelt mit doppelter Kuppel, schlank und erhaben wie ein fürstliches Mongolenlager. Ich fühlte einen Kloß im Hals, mein Herz klopfte hart an die Rippen. Der Zauber wirkte –
er wirkte noch immer, über die Jahre hinweg. Ich hörte, wie Jorge neben mir die Luft einzog. »Es berührt die Seele«, sagte er mit kaum wahrnehmbarer Stimme. Im düsteren Zwielicht trafen sich unsere Blicke.
Ich lächelte ihm zu, als habe er ein Geheimnis begriffen.
»Es liegt daran, daß es Nacht ist.«
Amadeo gab niemals Nachmittagsvorstellungen. Das grelle Sonnenlicht hatte er nie gemocht. Er suchte die Magie der Nacht, die Diagramme der Sternbilder; seine Pferde waren keine Paraderosse, aufgeputzt mit Federquasten, Troddeln und Flitter; sie waren urwüchsige Dämonen, die aus dem Dunkel in flackernde Feuer traten.
Inzwischen verdichtete sich die Menge. Das Stimmengewirr, das Knirschen der Schritte auf dem aufgeweichten Boden mischten sich in das eintönige Rauschen des Regens. Einer nach dem anderen tauchten jetzt die Wohnwagen aus dem Nebel. Alle waren sie dunkelblau angestrichen, trugen auf jeder Seite ein ornamentales Emblem: die Sonnenscheibe, die Mondsichel. Beide naiv dargestellt, wie von einem Kind gezeichnet und koloriert. Und beide riesengroß, unübersehbar.
»Was soll das?« murmelte Martin. »Warum die Sonne? Das verstehe ich nicht!«
Ich lächelte und blieb ihm die Antwort schuldig. Bei Amadeo waren alle Dinge sinnerfüllt, nichts blieb dem Zufall überlassen. Er überwachte jede Einzelheit, schloß niemals Kompromisse. Bei ihm hatte ich erfahren, daß jede Handlung in Träumen wurzelt, daß wir nur durch Träume zum Wissen gelangen. Für mich, von damals her, blieben nur diese beiden Blickpunkte: das Sichtbare und das Unsichtbare und wie man beides zusammenbringt.
»Herrgott! Dieser verdammte Matsch!« schimpfte Martin.
»Du hättest Gummistiefel anziehen sollen«, sagte ich.
»Wie konnte ich wissen, daß es so dreckig sein würde?«
Er meinte es im übertragenen Sinn, ich hatte es plötzlich begriffen. Ich erkannte die Natur der Abneigungen, die er mit sich herumtrug: Angst vor
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