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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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und zurück, bewegte sich federnd und mit jener gespannten Ruhe, die zeigt, daß ein Tier aufgeregt ist.
    Während das Publikum Beifall spendete und die Mongolen das Tempo leicht drosselten, wateten beide Frauen mit einem großen Reifen in das Wasser. Sie setzten den Reifen mit einem Feuerzeug in Brand, bevor sie ihn mit ausgestreckten Armen hielten. Als der Reifen einen rotflackernden Bogen bildete, drückte Amadeo dem jungen Fuchs die Fersen in die Flanken. Zuerst trabte der Hengst, bevor er in weichen, elastischen Sätzen zu galoppieren begann. Ein oder zweimal versuchte das Tier auszubrechen; aber Amadeo, dessen Gesicht absolute Ruhe spiegelte, lenkte es fest und sicher im Kreis, dicht an den Mongolen vorbei, die sich wie im Spiel die Fackeln zuwarfen. Immer ungestümer, schwereloser wurde sein Galopp.
    Der Fuchs schien den Boden nur zu berühren, um sich mit einem neuen Sprung wieder abzustoßen. Und plötzlich, mit einem gewaltigen Schwung, warf Amadeo ihn seitwärts, stürmte mit voller Geschwindigkeit durch das Wasser, dem feurigen Kreis entgegen. Ein heiseres Schnauben drang aus der Kehle des Hengstes. Sein mächtiger Rücken spannte sich. Der Fuchs schnellte empor, flog durch den Flammenring, wie von übernatürlichen Kräften getragen. Schon spritzte Wasser auf; das Pferd hatte Boden gefaßt, preschte auf der anderen Seite weiter, gerade als beide Mongolen im vollen Tempo angerast kamen. Ein einziger Schrei stieg aus dem Publikum. Der Zusammenstoß schien unvermeidlich. Doch im Bruchteil eines Atemzuges hatte Amadeo an den Zügeln gerissen: Der Lusitaner bäumte sich zu seiner vollen Größe auf. Die Hufe schlugen wie Keulen durch die Luft. Dann fiel er so schwer auf die Vorderhufe zurück, daß die Erde bebte. Seine Flanken hoben und senkten sich. Er wieherte leise, als ihn Amadeo zärtlich mit den Nägeln über die Stirn zwischen den Augen strich. Die Frauen ließen den Reifen ins Wasser fallen; der Flammenring schien in geheimnisvollen Tiefen zu verglühen. Die Trommel schwieg. Eine kurze Stille folgte, bevor tosender Applaus aus den Reihen der Zuschauer brach. Ich jedoch saß still, beide Hände in den Taschen zu Fäusten geballt. Ich zitterte, aber nicht vor Kälte.
    »Hübsch«, hörte ich Martin neben mir sagen. »Eine gute Show! Einige Tricks sind dabei, die wir auch in den Staaten bei Rodeos anwenden. Aber die kommen beim Publikum immer gut an.«
    Es war nicht der Ton seiner Stimme, der mich in die Wirklichkeit zurückbrachte, sondern allein das Bewußtsein seiner Gegenwart. Ich hatte ihn tatsächlich vergessen und war nahe dabei, es ihm zu sagen. Doch ich zog nur meine Hände aus den Taschen, schloß mich dem Beifallklatschen an. Es ist nicht seine Schuld. Es liegt an mir. Er sucht mich: Ich bleibe verschwunden. Ich denke, wie er nie denken würde, ich sehe die Welt mit anderen Augen. Für mich ist sie ein Raum, in dem alles möglich ist; für ihn etwas Ungewisses, das man erforschen muß, um es besser zu entlarven. Er hält es gut auseinander, Einbildung und Wirklichkeit. Er will mit diesen Dingen nichts zu tun haben. Was kann ich dafür, wenn ich mein Leben mit Wachträumen ausfülle? Ich frage mich, welche andere Wahl ich habe.
    Keine?
    Keine. Solange du da bist.
    Die Vorstellung war zu Ende. Artisten und Musiker trafen in der Manege zusammen, um sich zu verneigen. Amadeo stand unter ihnen, in seinen schwarzen Hosen und seiner blauen Tätowierung am Oberarm. Er verneigte sich kaum; den Kopf zu senken lag ihm nicht. Seine pechschwarzen Augen wanderten über die Zuschauer; kaum, daß er sie wahrzunehmen schien. Er wußte von Lola, daß ich da war, und hielt einzig nach mir Ausschau. Ich beugte mich leicht vor, gerade als sein Blick an mir haften blieb. Als unsere Augen sich fanden, spürte ich ein Schaudern, einen heftigen Ruck. Die Geräusche setzten für ein paar Atemzüge aus, brachen ab, erloschen derart, daß meine Ohren durch die Stille taub wurden. Kein Muskel bebte in Amadeos Gesicht. Wir starrten uns an, Auge in Auge; als wären die letzten fünfzehn Monate nicht gewesen, spürte ich in unserer stummen Begegnung das vertraute Vibrieren, den Gleichklang unserer Herzen. Keine Kraft, kein Zauber konnten uns voneinander befreien, es sei denn, wir hätten es selbst gewollt, aber das wäre einer Verstümmelung gleichgekommen. Jemand zog mich am Arm. In meinem Trommelfell knackste es; ich vernahm das Getöse des Applauses, in der gleichen Sekunde, als unsere Blicke sich trennten. Statt dessen

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