Feuerfrau
Quasimodo eine blitzschnelle Wendung und stob durch das Wasser, den schwarzen Spiegel in glitzernde Scherben zersprühend. Er sprengte durch den Sattelgang dem Ausgang zu, in derselben Sekunde, da auf der anderen Seite drei Reiter auf goldenen Pferden durch die Manege jagten. Ich hörte die Zuschauer leicht keuchen, als die Reiter – ein älterer Mann, von zwei Jungen begleitet – im gestreckten Galopp am Wasser vorbeijagten. Dabei legte sich der Anführer über die Mähne des Pferdes, stieß den schrillen, ekstatischen Schrei aus, mit dem schon seit Jahrhunderten die Steppenreiter vom Amu Darja bis zum Hindukusch ihre Pferde zur rasenden Geschwindigkeit antrieben.
Im Kreis der Manege gefangen, wie flammende Schmetterlinge in einem Netz aus Dunkelheit, führten sie die Kunststücke ihrer Heimat auf.
Der Anführer löste seinen roten Turban, ließ ihn wie ein Banner flattern.
Schon ließ sich der nächste Reiter kopfüber fallen. Mit einem Fuß im Steigbügel hängend, fing er den wehenden Stoff auf und schwang ihn wie eine Trophäe, bevor ihn der dritte mit der gleichen Geschicklichkeit ergriff.
Der Applaus war noch nicht verklungen, als bereits die nächste Gruppe durch die Manege jagte. Mongolen aus den tiefen Steppen Asiens, drahtige Jungen und Mädchen in buntbestickten Gewändern. Sie glitten unter dem Leib ihrer Pferde auf die andere Sattelseite, hingen am Hals ihrer Tiere, ließen sich im Galopp mitschleifen, schwangen sich von beiden Seiten wieder empor. Und erst die Pferde! Jedes einzelne war von strahlender Schönheit. Ihre dichten Mähnen waren bewundernswert gepflegt. Das kastanienbraune, fuchsrote oder weiße Fell glänzte wie Rohseide. Ihre breite Brust, die langen, kühn geschwungenen Muskeln ihres Halses zeigten ihre Stärke, ihre unermüdliche Ausdauer.
Dann wechselte das Bild. Unter Holzmasken und Federkleidern ritten seltsame Gestalten in die Manege: possenreißende Narren, die dem Kopf ihres Reittieres die Kehrseite zuwendeten, ihre Stiefel verkehrt trugen, die Pferde rückwärts gehen ließen. Ihre Streiche und ihr Schabernack lösten im Publikum Lachsalven aus, in denen sich ein leichtes Unbehagen mischte.
Denn diese Clowns boten sich nicht zum Gespött dar. Sie waren die göttlichen Schelme, flüchtig, unberechenbar wie das Unterbewußtsein selbst; sie kehrten die Dinge um, zeigten das Drunter und Drüber, das Zurück-statt-vor, sie zerstörten die Ordnung. Sie warfen die Träume in die Luft, wie sprühende Sterne, lockten silbergeschmückte Amazonen in die Manege. Die Seidenstoffe, die sie umhüllten, waren blau, violett und feuergelb. Sie knieten oder standen auf den Rücken der Pferde, ritten aneinander im Galopp vorbei. Eine biegsame Schönheit, das schwarze Haar wie Rauch hinter ihr herflutend, ließ ihren Rotbraunen sich mitten im Wasser aufbäumen. Nur mit einem Fuß im Steigbügel hängend, warf sie sich weit über den Rücken des Tieres. Ihre Haarwolke fiel herab, über den wehenden Schweif. Im stolzen Trab stürmten nun Andalusierinnen die Manege. Ihre Volantkleider, über die Kruppe der Pferde ausgebreitet, leuchteten in grellen Farben. Sie trugen Fransentücher und Nelken im Haar, oder Samtjacken und lederne Beinschutze. Aufrecht und gertenschlank, eine Faust in der Hüfte, lenkten sie ihre Schimmel mit stählernen Schenkeln und Knien.
Und wieder wechselte das Bild: Halbwüchsige in grünen und orangeroten Pluderhosen, das Haar mit glitzernden Bändern geschmückt, trieben ihre Araberhengste zu halsbrecherischer Geschwindigkeit an, schlugen Räder und Purzelbäume, machten Handstand, schwangen sich von einem Tier zum anderen; es war, als hingen sie in der Luft und schwebten.
Sie ritten stehend, zu zweit oder zu dritt, unbeschwert und lachend wie waghalsige Kinder. Reiter und Pferde teilten die gleiche Freude am Spiel, erzählten die gleiche Fabel, die zu den Menschen sprach, von Herz zu Herz.
Asien und Europa mischten sich in der Manege, bildeten einen Kreis, der die Welt umspannte. Und die schwarze Wasserfläche starrte zum Himmel wie ein Riesenauge, auf dessen Netzhaut die Formen und Farben sich spiegelten. Manchmal schien das Auge zu blinzeln; dann war es, als ob die glitzernde Pupille sich über ihr Geheimnis schloß. Und mit dem Öffnen und Schließen dieses Auges wurde etwas in den Zuschauern geweckt, das längst vergessen war, als tauche aus diesem Wassergrund ihre eigene Kindheit empor. Von Vision zu Vision führte sie ihre Erinnerung zu den unbeschwerten Tagen
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