Feuerfrau
gefallen.«
Seine Stimme war etwas gönnerhaft, wie das bei alten Menschen, die ihren Erinnerungen nachgehen, oft vorkommt.
»Dabei wußte ich gar nichts. Aber ich hatte Vertrauen zu dir.«
»Das genügte, mein Kind.«
Er sah aus, als ob ihn ein Windhauch davonwehen könnte. Seine Augen waren feucht und wimpernlos, aber klar wie früher.
»Gelobt sei der Leib, der dir das Leben schenkte! Du warst schon immer ein besonderes Mädchen. Jetzt bist du eine schöne Frau.«
Lolas helles Lachen schallte durch den Wohnwagen.
»Wassilio, laß diese Schmeicheleien sein, die sind nichts für Männer deines Alters!«
»Ja, sie ist schön«, sagte Amadeo ernst. Das trübe Licht im Wohnwagen ließ sein Antlitz aufschimmern. Er ließ mich nicht aus den Augen, sah meinen Mund an, wenn ich sprach. Mein Herz schlug schneller. Eine kleine Flamme, warm und pulsierend, strahlte unterhalb meines Nabels aus, bis in die Schenkel. Ich zerging, ich konnte es nicht aushaken. Er las es auf meinem Gesicht. Es mußte auf ihn wie ein Peitschenhieb wirken. Martin fing den Blick auf, den wir tauschten, und rutschte unruhig hin und her. Es wird ziemlich hart für ihn werden, dachte ich, aber er hat es ja nicht anders gewollt.
Inzwischen stand auch Eleni auf, begrüßte Wassilio auf die gleiche Art und wurde von ihm herzlich umarmt.
»Was fällt euch ein«, fragte Martin, »diesem Alten die Hand zu küssen?«
»Er ist ein ›Kaku‹, ein Baum-Mensch«, sagte ich.
»Was ist denn das?«
»Eine Art Medizinmann«, sagte Amadeo.
»Und Sie küssen ihm auch die Hand?«
Amadeo grinste.
»Ja, das kommt vor. Er heilt Durchfall überaus zuverlässig.«
Wieder ging die Tür auf. Eine Frau erschien. Sie hatte das Tuch der verheirateten Romnia in ihr Haar geknotet und hielt einen Säugling an der Brust. Lola winkte ihr fröhlich zu: »Esmeralda! Komm, setz dich zu uns!
Das ist Ariana.«
Esmeralda sah mir neugierig ins Gesicht, wobei ihr Lächeln bis zu den gewölbten Augenbrauen wanderte. Sie setzte sich mit leichter, fließender Bewegung. Aus ihren Kleidern strömte ein eigentümlicher Duft nach Harzen, Nelkenöl und Talg. Sie erklärte mir, daß sie Matteos Frau war, und zeigte mir freudig ihr Baby, ein Mädchen. Die Kleine trug nur ein geblümtes Baumwollkleid, sonst nichts. Ich streichelte behutsam ihre Wange. Sie hatte samtene Haut und winzig kleine Ohren.
»Wie heißt sie?«
»Tamara. Sie ist schon groß, weil ich viel Milch habe«, sagte Esmeralda stolz.
Das Baby gähnte schlaftrunken und strampelte. Matteo streckte die Arme aus: Esmeralda reichte ihm das Kind, das er auf seine Knie nahm und zärtlich an sich drückte. Alle unterhielten sich laut, lachten und gestikulierten, so daß ich die junge Frau, die hinter Esmeralda durch die Tür gekommen war, kaum bemerkt hatte. Erst als der Lampenschein auf ihr Gesicht fiel, wurde ich auf sie aufmerksam. Die junge Frau trug Jeans, ein schwarzes Top, eng und tief ausgeschnitten, darüber eine kurze Jacke aus Lammfell und einen roten Glitzerschal. Um ihren Hals hingen Goldketten, die im Licht flammten und funkelten. Ihr Gesicht war oval, noch kindlich in den Umrissen. Die schrägen Augen, beschattet von dunklen Wimpern, hoben sich von der warmen Tönung ihrer Haut ab. Die weitgeschwungenen Lippen glänzten pflaumenrot. Ihr Haar, in der Mitte durch einen Scheitel geteilt, war lang, schwarz und üppig, wie eine gekräuselte Mähne.
Amadeo drehte sich eine Zigarette. Er hob nur flüchtig den Blick und sagte in beiläufigem Ton:
»Coralie reitet Hussein, den Rotbraunen. Er ist störrisch und eitel. Aber das Pferd, das Coralie nicht binnen fünf Minuten zum sanften Kätzchen macht, ist noch nicht geboren. Und mit den Männern macht sie es genauso.«
Alle lachten; Coralie zuckte mit keiner Wimper. Ich entsann mich an ihre Kühnheit und Gelenkigkeit im Sattel und lächelte ihr zu. Coralies volle Lippen blieben eng zusammengepreßt. In ihren Augen war nichts, zu dem ich hätte sprechen können. Sie waren starr und hart. Ich sah ihren Hals unter den goldenen Ketten stürmisch und ungleichmäßig schlagen. Amadeo benetzte den Rand des Papiers mit der Zunge und klebte die fertige Zigarette zu. Djali warf ihm eine Schachtel Streichhölzer über den Tisch.
Amadeo fing sie auf, riß ein Streichholz an und zog an der Zigarette.
Coralie beachtete er nicht mehr, doch ich wußte, sie war seine Geliebte.
Und sie wußte auch, was mit uns war. Jemand mußte es ihr gesagt haben.
Durch den Raum hindurch schauten
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