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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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verdankst.«
    »Ich habe dir versprochen, aufzuhören, sobald ich Geld genug habe.«
    »Dann mußt du dein Versprechen halten.«
    »Ich habe noch nicht Geld genug.«
    »Friede sei mit dir, mein Sohn.«
    »Und auch mit dir, Mutter.«
    »Willst einen Kaffee, du Idiot?«
    Eleni und ich tauschten einen lachenden Blick. Diese grobe Ausdrucksweise war uns nicht fremd; sie war eine Abreaktion nach der Anspannung und der Konzentration in der Manege. Der indische Sänger traf ein, eine prachtvolle Erscheinung, in cremefarbenem Dhoti, seinen Turban kunstvoll geschlungen. Aus der Nähe gesehen, war er außerordentlich schön, mit seinem rahmgelben Teint und dem leuchtenden Braun seiner Augen. Er war müde und gähnte ein paarmal, zeigte eine wohlwollende, gelangweilte Würde. Sein prachtvoller Bart brachte mir den Schaum aus Zuckerwatte in Erinnerung, die Eleni und ich als Kind so gerne mochten. »Papas Bart« hieß die Jahrmarktssüßigkeit, die wir vom Stiel schleckten.
    »Raschid-Khan ist ein Meister seines Faches«, sagte Amadeo. »Er kennt jeden Takt, jede Note. Aber in Indien stehen Musik und Gesang als Darbietung im Hintergrund. In Frankreich konnte ich ihm Gastspiele vermitteln, jetzt ist er ein Star und für indische Begriffe ein reicher Mann.
    Zum Glück schmeißt er sein Geld nicht zum Fenster heraus und kauft sich auch keinen BMW. Er versteht kaum Französisch, und mein Englisch hört sich stümperhaft an, aber wenn wir eine Vorstellung inszenieren, weiß er in einer Sekunde, was ich will. Das kenne ich sonst von niemandem, höchstens von gewissen Pferden.«
    Raschid-Khan lächelte, als fühle er sich geschmeichelt. Er war mit zweien seiner Söhne gekommen, die er als Musiker ausbildete. Rafik spielte Trommel, Nadir schlug die Laute. Ich erinnerte mich, sie auf der Estrade gesehen zu haben. Beide waren dunkel, schlank und befangen.
    Beide senkten synchron die Augen, falteten simultan die Hände zum Gruß, sichtbar erdrückt vom mächtigen Schatten ihres Vaters.
    Unterdessen war der Wohnwagen voller Leute, aber es trafen noch mehr ein, und die Luft wurde allmählich stickig. Lola öffnete ein Fenster, lies feuchte Nachtluft herein. Unter den letzten, die kamen, war ein sehr alter Mann mit merkwürdig hellen Augen, eisgrauem Stoppelhaar, das faltige Gesicht von Wind und Regen wie Leder gegerbt. Ich erkannte ihn sofort und rief seinen Namen.
    »Wassilio!«
    Wir umarmten uns. Ich küßte seine Hand, nach Art der Romanos, mit der Ehrerbietung, die ihm zukam. Ich hatte ihn schon lange nicht mehr gesehen. Er kam, er verschwand, tauchte Jahre später wieder auf. Und obgleich er heute so abgezehrt, so dünn und federleicht war, daß seine Glieder wie lose eingehängt wirkten, war er immer noch ein Magier, ein Weiser und unvergänglich.
    »Wassilio, wie geht es dir?«
    »Ich lebe, mein Kind, aber es ermüdet mich.«
    »Kennst du mich noch?«
    Er kicherte. Seine Stimme klang wie Rascheln welker Blätter. »Wie sollte ich nicht? O ja, ich weiß, wer du bist: das Mädchen, das mit dem Feuer spielte. Nicht viele können das. Du warst dir nicht einmal deines Glückes bewußt. Kindskopf!« setzte er hinzu und lächelte.
    Nie hatte ich ihn lesen oder schreiben gesehen, und doch sprach er ein Dutzend Sprachen und Mundarten. Seit er das Licht der Welt erblickt hatte, war er auf allen Straßen, Wegen, Pfaden und Pisten unterwegs gewesen.
    Und wie lange schon? Märchen sind zeitlos, und Wassilios Alter war ohne jede Bedeutung.
    Sein Rücken war krumm, weil er in den vorgeschriebenen Tagen und Nächten Heilkräuter sammelte, sie in der Sonne trocknen ließ oder mit einem Mörser zu Pulver zerrieb. Er kannte auch die Geheimnisse von Mineralien, Salz- und Tonerden, aus denen er Medizin herstellte. Sogar Knochenbrüche und entzündete Wunden vermochte er zu behandeln, und das sowohl bei Tieren wie auch bei Menschen. Und manchmal gebrauchte er nur seine Hände. Ich zog den Ärmel meines Pullovers hoch. Über meinem Arm, unterhalb des Ellbogens, lief eine dünne weiße Narbe.
    »Weißt du noch, Wassilio?«
    Ich hatte mich an einem rostigen Stacheldraht verletzt. Eine böse Wunde. Wassilio hatte den Schnitt mit warmen Wasser gewaschen und seine Hände eine Weile über die Wunde gehalten, wobei er seinen Atem mit dem meinen in Gleichklang brachte. Die Verletzung heilte sofort, ohne Blutvergiftung. Er blinzelte gnomenhaft.
    »O ja, ich erinnere mich! Du hast keine Frage gestellt. Du hast so getan, als wüßtest du Bescheid. Das hat mir sehr

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