Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
Vom Netzwerk:
verstehen«, sagte Amadeo, »muß man mit ihnen leben und ihre Sprache erlernen. Manchmal schlafe ich sogar bei ihnen, im Stall. Sie sind meine Familie, meine Kinder, ein Teil von mir.
    Aber man findet nur selten einen Mann, der ein Pferd wert ist.«
    »Sie sind ein Zyniker«, sagte Martin.
    »Nein, ein Idealist.«
    Amadeo drehte sich eine Zigarette.
    »Pferde sind ein Teil des Unsichtbaren, wie sogar meine Ratte es ist. Sie sind unsere Gefährten aus der Urzeit, Seelenträger und schirmende Geister.
    Auf dem Rücken eines Pferdes erlebe ich Wunder; ein Teil von mir bleibt in meiner Haut gefangen; der andere Teil aber rennt mit dem Pferd, bis unsere Lebensströme sich verschmelzen. Bis wir eins sind… miteinander verschmolzen.«
    Martin verspürte ein Unbehagen, wie einer, der stets einen einzigen Ton auf dem Klavier anschlägt. Um das zu verbergen, sagte er in scherzhaftem Ton:
    »Man könnte meinen, Sie laufen vor sich selbst davon.«
    Amadeos Ausdruck blieb unberührt.
    »Tun wir das nicht alle?«
    Martin lachte, aber es war ein gekränkter Unterton in seiner Stimme.
    »Vielleicht haben Sie recht.«
    Amadeo trank einen Schluck Wein.
    »Für gewisse Pferde gibt es keine Worte, um sie zu beschreiben. Sie sind so schön, daß man nur in Metaphern von ihnen sprechen kann: von dunklen Stürmen und Donnergrollen, von reißenden Wildbächen und kreisenden Adlern.«
    »Amadeo, warum erzählst du das?« rief Lola kopfschüttelnd dazwischen. »Du weißt doch, daß die Gatschos nur darüber lachen.«
    »Dieser nicht. Der will ein guter Gatscho sein.«
    Er hob Topsy auf seine Schulter. Martins Wimpern zuckten. Auf Amadeos Gesicht lag ein fast unsichtbares Lächeln.
    »In der Manege sind die Pferde nicht sie selbst: Sie spielen Schau, wußten Sie das? Sie sind eitel und genießen den Applaus. Deshalb lernen sie bereitwillig Kunststücke. Das hat kaum etwas mit Intelligenz zu tun.
    Einer Katze können Sie nicht beibringen, durch einen brennenden Reifen zu springen.
    Es sei denn, sie tut es freiwillig, aber keine Katze ist so dumm, sich zu so einem Unsinn herzugeben. Ein Pferd glüht vor Leben und setzt sich schamlos in Szene. Haben Sie mal miterlebt, wie Pferde sich paaren?«
    Er deutete auf die Aufnahme an der Wand gegenüber. Martins Augen glitten blind darüber hinweg. Für Fake-Orgasmus im Video war er durchaus zu haben, nicht einmal Gewaltpornos raubten ihm den Seelenfrieden. Aber Dinge, die als Bedrohung und Frage aus dem Dunkel hervorfluteten, waren ihm unheimlich.
    »Ein gutes Foto«, sagte er steif.
    »Mit einem Teleobjektiv 135 mm. Das Schauspiel sollten Sie sich mal ansehen. Es würde Ihnen mehr über das Wesen Pferd – und zusätzlich auch über Ihr eigenes Wesen – beibringen als alle Handbücher der Naturgeschichte zusammen.«
    Er sprach, die Zigarette im Mundwinkel und die Ratte auf seiner Schulter. Martin sah zu ihm herüber, durch das Essen versöhnlich gestimmt und völlig in seinen Bann gezogen.
    »Wie sind Sie eigentlich zum Zirkus gekommen?«
    Amadeo nahm Topsy von seiner Schulter, ließ sie an seinem Teller schnüffeln.
    »Der Zirkus ist zu mir gekommen.«
    Martin schob seinen eigenen Teller schnell weg und tupfte sich die Lippen ab.
    »Ich weiß nicht, wie ich das verstehen soll.«
    »Sie können es durchaus wörtlich nehmen.«
    »Daraus werde ich nicht klüger.«
    »Im Zirkus«, sagte Amadeus, »hat jeder seinen bestimmten Platz. Vom Direktor bis zum Stallburschen. Und jeder hat sein Leben und seine Geschichte. Aber fast alles, was wir wissen, haben wir von den Tieren gelernt.«
    Martins blaue Augen sprangen fasziniert hin und her und folgten den Gesten, mit denen er seinen Worten Nachdruck verlieh.
    »Was denn, zum Beispiel?«
    »Zum Beispiel, unsere Fährte zu verwischen.«
    Seine Stimme klang sanft und spöttisch. Martin lächelte dünn. »Ihr Vorrat an Sprüchen ist schier unerschöpflich. Aber was soll ich damit?
    Wenn ich für Sie Werbung machen soll, brauche ich konkrete Informationen.«
    »Wolf, Pferd und Rabe sind unsere Lehrmeister. Und der Gitano – wie das Tier – verunreinigt niemals den Ort, an dem er Nahrung zu sich nimmt.
    Es sei denn, das Tier ist durch Menschen gezähmt worden.«
    »Und warum tragen Ihre Wohnwagen das Zeichen der Sonne?«
    »Weil die Sonne um Mitternacht scheint.«
    »Das soll wohl ein Witz sein.«
    »Durchaus nicht. Ich meine es ernst.«
    Amadeo rollte sich eine zweite Zigarette und steckte sie bedächtig hinter sein Ohr. Martin starrte ihn an.
    »Sie haben mir

Weitere Kostenlose Bücher